Tiefbettanhänger, ihre Geschichte – und eine MAN Schwerlastzugmaschine mit 680 PS

Ruedi Baumann

BPZ / 01.12.09 / Einst waren Scheuerle-Tiefbettanhänger das Mass der Dinge bei Schwertransporten in der Schweiz. Sie verfügten als erste über eine absetzbare Ladefläche, das sogenannte „Tiefbett“. Sie existierten sowohl mit unterschiedlich langen Ladeflächen, wie auch mit unterschiedlichen Fahrwerkkonfigurationen. Also mit zwei Doppelachsen vorne und hinten, oder für schwerere Brocken mit je vier Doppelachsen an beiden Anhänger-Enden. Sogar die Schweizer Armee schaffte für den Transport ihrer Centurion-Panzer und den Caterpillar-Bulldozern D8 Scheuerle-Tiefbettanhänger an. Diese wurden allerdings in Lizenz von der Schweizerfirma Draize hergestellt.

Offenbar konnten schon in den 60ern auch Konfigurationen mit gesamthaft 12 Doppelachsen geordert werden. So besass beispielsweise die Firma Ernst Autotransporte ZH einen solchen Tiefbettanhänger, allerdings hergestellt von der Firma Weinmann. Tiefbettanhänger haben verschiedene Vorteile gegenüber einfachen Tiefgang-Anhängern oder Aufliegern, weil die Tiefbett-Ladefläche nur wenige Zentimeter über dem Boden schwebt, wodurch Maschinen und sonstige sperrige oder unteilbare Güter mit grösserer Höhe transportiert werden können. Einst wie heute erfordert der Umgang mit Spezial-Schwertransportanhängern geschultes, hochqualifiziertes Personal, beziehungsweise Fahrer.

Das Tiefbett hat noch einen ganz besonderen Vorteil: Es kann auf den Boden abgesetzt, die Fahrwerke abgekoppelt und dadurch von Baumaschinen (oder Kettenpanzern) direkt über kurze Rampen befahren werden. Bei den Scheuerle-Anhängern konnten nach dem Absenken sowohl Front- wie Hecklaufwerke abgekoppelt werden, was jedoch infolge der mechanischen Steuerung (Ketten und Gestänge) eine Heidenarbeit für den Chauffeur darstellte, weil nicht nur die im Tiefbett verlaufenden Lenkketten für das Hecklaufwerk ausgehängt – und anschliessend wieder eingehängt, sondern auch die Lenkgestänge und Deichsel ein „Umstecken“ erforderten. Der einzige Luxus war (sofern vorhanden) eine vom Lastwagendiesel angetriebene Hydraulikpumpe (Kipperpumpe) für das Anheben des Tiefbetts inklusive Ladung. Ansonsten musste per Hand „gepumpt“ werden.

Zwei Konkurrenten – ein Ziel

Scheuerle

1869 gründete Christian Scheuerle eine Schmiede in Pfedelbach. Sein Enkel Willy Scheuerle gilt als Pionier in der Entwicklung von Sonderfahrzeugen für den Schwertransport. Seine Entwicklungen aus den 1940er Jahren bilden noch heute das Grundprinzip vieler moderner Schwerlastfahrzeuge. 1949 verkauft Scheuerle den ersten modernen Tieflader. Dieser ist mit mechanisch lenkbaren Fahrwerken und einem mechanischem Achsausgleich ausgestattet.

Im darauf folgenden Jahr begann das Produktprogramm als Baukastensystem der allradgelenkten Tiefladerkombinationen von Zweiachs- bis zu Vielachsfahrzeugen für 10 bis 100 Tonnen Nutzlast. Ein hydraulischer Achsausgleich für den Transport von Nutzlasten bis zu 500 Tonnen wurde 1957 ermöglicht, wobei der selbstangetriebene Zusatzantrieb erst 1958 serienreif war. Im Jahr 1972 erfolgte die Einführung elektronischer Vielweglenkung.

Ein Baukastensystem mit hydraulisch abgestützten Pendelachsen bis 250 Tonnen wurde 1981 eingeführt, wobei Einzelfahrzeuge für vollelektronische kontrollierte Modultransporter 1983 für mehrere tausend Tonnen Nutzlast konstruiert wurden. Die automatisch angetriebenen, fahrerlosen Transportsysteme für schwerste Lasten gab es 1986 und ein Jahr später konnten 1.800 Tonnen Nutzlast auf der Strasse transportiert werden.

Goldhofer

Das Unternehmen kann seine Geschichte bis ins Jahr 1705 zurückführen, in dem erstmals urkundlich eine von der Familie Goldhofer in Amendingen bei Memmingen betriebene Schmiede erwähnt wird. Seit 1946 wurden unter Leitung von Alois Goldhofer (1922-1981) in der „Allgäuer Fahrzeugwerke Alois Goldhofer KG“ kleine luftbereifte Transportmittel, wie Handkarren, Pferdewagen, Kutschen, und andere Gefährte für die Landwirtschaft hergestellt.

1952 entwickelte Goldhofer zusammen mit der ebenfalls in Memmingen ansässigen Reifenfirma Metzeler den ersten durch Rampen über die Hinterräder überfahrbaren Tieflader und revolutionierte damit die Geschichte des Anhängerbaus. Goldhofer erschloss damit den Kundenkreis der Transport- und Bauwirtschaft. 1956 folgte ein Tiefladeanhängertyp mit ausfahrbarer Hinterachse.

1959 wurde die nun industrielle Fertigung nach Memmingen verlegt, Goldhofer spezialisierte sich auf schwere Tieflader. 1963 folgte die Entwicklung eines Schwerlastanhängertyps mit noch mechanischem Achslastausgleich und mechanischer Lenkung. Ein Jahr später konnte die Produktion des 5000sten Tiefladers gefeiert werden.

1971 baute die Firma den ersten teleskopierbaren Satteltieflade-Anhänger, 1975 einen Kombinations-Satteltieflader mit Lenkschenkel-Achsen und hydraulischem Achsausgleich. 1979 verliess das 10.000ste Fahrzeug die Fertigung. 1982 wurde das Modulsystem mit Verschieberahmen zum „Skidding-Frame“ weiterentwickelt. Ab 1983 kam ein Spezialfahrzeugtyp für schwerste Lasten zum Einsatz in schwierigstem Gelände und extremen Umweltbedingungen hinzu.

Luftprobleme

Die Firma A.Welti-Furrer AG war einst ein treuer Scheuerle-Kunde, stieg aber mit dem Aufkommen der Goldhofer-Modulbauweise zur Konkurrenz um. Goldhofer hatte seinen Mitstreiter damals kurzzeitig überholt. Stiefel-Transporte beharrte auf Scheuerle und bezahlte diese Treue mit missglückten Aufträgen infolge eines nicht praxistauglichen Modulanhängers mit Halbachsen. Ein ärgerlicher Nachteil war anfänglich der begrenzte Luftvorrat der Zugmaschinen angesichts der vielen zusätzlichen Bremszylinder dieser „Tausendfüssler“.

Als Zugmaschinen kamen vornehmlich normale, allradgetriebene Saurer/Berna 5DM/5VM zum Einsatz (ohne zusätzliche Bremsluft-Vorratsbehälter). In der Regel hatte der Fahrer innerhalb von fünf Minuten nur zwei Bremsungen zur Verfügung, dann musste (bei Vollgas im Stillstand) geduldig das erneute Auffüllen der Vorratsbehälter durch den am Motor angeflanschten Bremsluft-Kompressor abgewartet werden. Sehr spassig, wenn das mitten auf einer Strassenkreuzung – oder beim Überfahren eines Bahnüberganges der Fall war.

Risi setzt ebenfalls auf Goldhofer

Wie der Leser beim Betrachten der Bilder erkennen kann, existieren unterschiedliche Goldhofer-Tiefbettanhänger als Sattelauflieger im Fahrzeugpark der Firma Risi in Baar ZG. Um auch knifflige Durchfahrten bewältigen zu können, sind die druckluft/hydraulisch betätigten Fahrwerke separat per Funkfernsteuerung lenkbar. Dies kann direkt durch den Fahrer geschehen, oder durch eine Hilfsperson Somit ist auch ein „Hundegang“ möglich. Angesichts der Länge dieser Anhänger und den heutigen Verkehrskreiseln unverzichtbar, zumal je nach Art der Ladung der Fahrer das hintere Laufwerk nicht sehen kann. Dass der im vorhergehenden Absatz erwähnten „Luftknappheit“ Rechnung getragen wurde, ist deutlich an der respektablen Batterie an Vorratsbehältern hinter der Fahrerkabine ersichtlich. Die Spezialtransporter können individuell angehoben oder abgesenkt werden.

Warum kein Hydrodrive?

Swissmotor ging auch der Frage nach, warum beim neuen 8x4 MAN der sensationelle Hydrodrive bei der ersten oder zweiten Vorderachse nicht zur Anwendung gelangte. Antwort von MAN: Kein Platz. Und nicht kompatibel mit dem Tipmatic-Getriebe. Risi-Schwertransportfahrer Paul Hotz bestätigte indessen, dass infolge der weit zurückgesetzten zweiten Vorderachse kein „Geradeausschieben“ der Zugmaschine auf rutschigem Untergrund stattfinde.

Zudem wäre der 8x4 gesetzlich auch mit Hydrodrive kein 8x6, weil Hydrodrive als reine Anfahrhilfe gilt und sich ab 30 km/h automatisch abschaltet. Siehe Swissmotor-Artikel http://www.swissmotor.at/20_artikel/450_499/0486.htm

Kleine Firmengeschichte

Die Risi Gruppe gehört heute zu den führenden Baudienstleistungsunternehmen der Innerschweiz. Ursprünglich, wie einst A.Welti- Furrer und Stiefel, eine Fuhrhalterei, ist es heute ein respektabler Betrieb mit fünf Tochter- und drei Beteiligungsfirmen sowie rund 200 Mitarbeitenden in den Bereichen Tief- und Spezialtiefbau, Kies und Beton, Entsorgung, Transportlogistik, Kanalreinigung sowie Kehrichtlogistik. In sämtlichen Bereichen hat sich die Firmengruppe einen hervorragenden Namen erarbeitet und wird für komplexeste Lösungen zugezogen. Geführt wird die Firmengruppe durch Adrian, Andreas, Konrad und Peter Risi, alles Vertreter der 3. Generation der vier involvierten Familien.

Der MAN 8x4

Im Bereich Schwerlast steht die neuste 8x4 Schwerlastzugmaschine von MAN voll im Einsatz. Der TGX 41.680 8x4/4 BLS mit 500 kW (680 PS / 2700 Nm!), Euro-5-SCR-V8-Motor mit Common-Rail-Einspritzung, ABS und XXL-Fahrerhaus mit Standklimaanlage ist ein Optimum für ein Gesamtzuggewicht von bis zu 120 Tonnen. Sinnigerweise sind für dieselbe Kombination im Ausland 250 Tonnen zugelassen.

Genial ist die Kombination des automatischen 12-Gang-Getriebes MAN TipMatic® mit Wandlerschaltkupplung und integriertem Primärretarder. Eine Konfiguration, die ein nahezu verschleissfreies, sanftes Anfahren und zentimetergenaues Rangieren auch unter schwierigsten Bedingen erlaubt.


Hier sind die Goldhofer-Module zu einer Einheit mit 11 Doppelachsen (ohne Tiefbett) zusammengesetzt, weil es hier beim Transport eines Rotors um eine möglichst gleichmässige Verteilung des enormen Gewichtes geht. Trotzdem ist es ein Sattelauflieger. Unschwer, sich vorzustellen, wie kompliziert die Lenkung der einzelnen Doppelachsen ist.


Ziemlich breite Angelegenheit. Grob geschätzt über vier Meter. Wie früher die Scheuerle-Tiefbettanhänger verfügt auch der Goldhofer über seitliche Verbreiterungen (von Hand einzuhängen. Der Rücken lässt grüssen). Auch hier wieder ein bemerkenswertes Detail: die vorderen Räder des Aufliegers haben sich bereits der Steigung des Zugfahrzeugs angepasst und federn weit aus.


Ein normaler Alltagstransport für Kies- und Aushubarbeiten. Der Verfasser nannte dies einen „Sonntagsjob“. Kaum Überbreite, keine Überhöhe, Gewicht passabel, sogar die diversen Baggerschaufeln können in einem Aufwasch mitgeführt werden. Trotzdem kann der Fahrer die Heckräder kaum überblicken. Daher kommen nur Vollprofis für solche Aufgaben in Frage.


Sattelauflieger mit Tiefbett und insgesamt acht Doppelachsen. Obwohl es zunächst aussieht wie ein Anhänger plus Deichsel, ist es doch ein Auflieger. Die vorderen Doppelachsen reagieren in Kurven wie die Räder eines „Einkaufsrollis“ im Supermarkt. Das Bild zeigt den Transport eines Steinbrechers.


Die kleinere Komposition dank Goldhofer-Modulbauweise. Die Ladung (Zugerbergbahn) ist ein Leichtgewicht. Gut sichtbar die vorderen Auffahrrampen, welche es in abgesenktem Zustand und abgekoppelter Zugmaschine inklusive Vorderteil des Aufliegers ermöglichen, mit Fahrzeugen aller Art direkt auf das Tiefbett zu fahren.


Dank Tiefbett und relativ langem Heckmodul kann der Baggerarm in gestreckter Position transportiert werden. Sogar der Zubehör-container findet auf dem vorderen Fahrwerk noch Platz.


Transport eines Cat-Raupenbaggers mit dem sechsachsigen Modul. Ohne Tiefbett würde die Höhe des Baggers zum Problem bei Unterführungen und dergleichen. Man beachte die zahlreichen Druckluft-Vorratsbehälter am Heck der Fahrerkabine. Zwischen den Behältern befinden sich ein „Kühlturm“ für das Hydraulikoel des Primärretarders sowie Reservebehälter für Hydraulikoel.


Auch die 8x4 MAN-Zugmaschine ist wandelbar. Mit Ballast-Ladebrücke oberhalb der Sattelkupplung kann das Fahrzeug sowohl als reine Zugmaschine wie als Schubfahrzeug eingesetzt werden. Die rote Konstruktion in Mitte der Stosstange verdeckt keine Seilwinde, sondern den Zug/Schubhaken wegen allfälliger Unfallgefahr (!).


Hier ist die gute Gewichts-verteilung ersichtlich. Das Hauptgewicht des Volvo-Dumpers mit dem Motor ruht mehrheitlich auf dem Heckmodul mit vier Doppelachsen.

Bilder MAN Schweiz

 

 


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