Scania V8 1969-2009 - Der „King of the Road“ wird 40

Ruedi Baumann

BPZ / 04.05.09 / Es ist schon eine erstaunliche Geschichte. Wie einst beim Personenwagen Ende der 20er Jahre schrieb ein simples Emblem – und ein Auspuffgeräusch – Geschichte. Das Emblem zeigte die Zahl 8 inmitten eines „V“ und war das Synonym für einen V8-Motor. Lincoln hatte sogar die Zahl 12 im „V“. Der unverwechselbare Aufpuffsound eines V8-Motors eroberte sehr schnell die Herzen der Käufer. Bei den Lastwagen hielt der V8-Diesel Ende der 50er-Jahre Einzug. Obwohl im Laufe der Zeit auch andere Marken V8-Diesel bauten, erlangten nur Saurer - und dann Scania mit dem V8-Motor einen absolut legendären Ruf.

Nur zwei V8-Diesel wurden zu Legenden

Zum grossen Ärger der Konstrukteure verkehrten die V8-Saurer grösstenteils ohne Seitenbleche entlang der Motorhaube; damit jedermann den Gewaltbrocken von Motor sehen konnte. Dadurch strich aber die Kühlluft vom Ventilator nicht sauber entlang dem Motor nach hinten, sondern wurde seitwärts davongewirbelt. Das bekam den hintersten Zylindern gar nicht, weil sie zuwenig gekühlt wurden. Es existierten auch vereinzelte Frontlenker mit V8, ja sogar mit V12 Motoren und Allradantrieb (Stiefel Transporte, Zürich). Saurer baute dann V8 und V12-Motoren noch weiterhin, aber ausschliesslich für Autobusse und Postautos in Alpenregionen (240PS), u.a. Gelenkbusse mit Heckmotor (Verkehrsbetriebe Zürich = 2 Exemplare).

Chrom-Emblem

Der V12 war nicht wesentlich länger als ein Reihensechszylinder, dafür aber breiter, was der Fahrer (auch der Verfasser) beim Frontlenker empfindlich zu spüren bekam. Wenig bekannt ist, dass seinerzeit auch Volvo Lastwagen mit V8-Motoren produzierte, allerdings mit Benzinmotoren (Lande Welllpappen, Zürich). Scania setzte vorwiegend auf das Chrom-V8-Emblem im Kühlergrillbereich, das sich bis heute in unterschiedlichem Design sogar an den Kabinen-Seitenwänden gehalten hat – und natürlich den unverwechselbaren Auspuffsound.

Prestige auf Kosten der Nutzlast

Viele Verkäufer grinsten in sich hinein, wenn der Kunde Ende der 60er-Jahre (für Inlandtransporte) partout auf einem V8-Scania beharrte, obwohl der schwergewichtige Motor die Nutzlast um 350 Kilo herabsetzte. Bei 16 Tonnen erlaubtem Gesamtgewicht (mit Anhänger 26 Tonnen) liessen etliche lieber das Reserverad zuhause, als auf den leichteren Sechszylindermotor auszuweichen. Aber gehörte eben zum „Prestige“ diverser Transportfirmen, das V8-Emblem am Kühlergrill allen zu zeigen.

Sinnigerweise hat sich das bis heute gehalten, obwohl auch andere Marken teilweise V8, V10 und sogar V12 Motoren einbauen. Aber sie erachten es aus unerfindlichen Gründen als unwichtig, mit einem simplen Emblem oder Schriftzug darauf hinzuweisen. Ob Scania aus der Saurer-Geschichte gelernt hat, darf angezweifelt werden. Mit grösster Wahrscheinlichkeit sind die Schweden selbst auf die Idee gekommen, das V8-Zeichen (und natürlich den Motor) als Prestige-Objekt und Verkaufsrenner anzuwenden.

Geburt eines Königs

Als Scania Ende der 60er-Jahre seinen 350 PS starken 14-Liter-V8 vorstellte, war dies der stärkste Lastwagenmotor in Europa überhaupt und er verteidigte seinen Rang über viele Jahre. Der V8 machte Scania zum „King of the Road“.
Die Entwicklung begann zu einem Zeitpunkt, als 250 PS das Mass aller Dinge waren. Die Ingenieure bei Scania-Vabis erkannten jedoch, dass solche Motorleistungen langfristig nicht ausreichen würden. Das galt ihrer Ansicht nach vor allem für den schweren Fernverkehr und für Holztransporte. Die Ingenieure stellten sich daher die Frage, warum sie nicht als Erste einen Motor mit höherer Leistung auf den Markt bringen sollten: Gedacht, gesagt, getan – und Scania betrat mit seinem V8-Motor Neuland.

Leidige Platzfrage

Die Freigabe für die Entwicklung im Jahre 1962 erfolgte zum gleichen Zeitpunkt wie die Entscheidung für die Entwicklung einer neuen Frontlenker-Generation, die 1968 vorgestellt wurde. Ein grösserer Reihensechszylinder hätte nicht unter ein Frontlenker-Fahrerhaus gepasst – ein Reihenachtzylinder schon gar nicht.
Die Ingenieure entschieden sich daher für die V-Bauweise, da ein V-Motor unter das gleiche Fahrerhaus passen würde wie der 11-Liter-Reihensechszylinder – jedoch mit einer um 100 PS höheren Motorleistung. Infolge der V-Anordnung der acht Zylinder erreichte er etwa die Länge eines Reihenfünfzylinders, war jedoch, wie bereits erwähnt, erheblich breiter. Das Ergebnis war ein starkes und gleichzeitig sehr kompaktes Aggregat, das bei der Leistung von LW-Motoren neue Massstäbe setzen sollte.

„Fahrbarkeit“

Bei der Entwicklung und Optimierung der Motorleistung prägten die Ingenieure den Begriff „Driveability“, auf Deutsch „Fahrbarkeit“. Die Fahrbarkeit charakterisiert das Verhalten des Motors zusammen mit den übrigen Komponenten des Antriebsstrangs. Spitzenleistung ist hier generell von untergeordneter Bedeutung, es kommt vor allem auf die Drehmomentcharakteristik an. Die Ingenieure von Scania-Vabis legten für die Fahrbarkeit klare Kriterien fest. Ein Lastwagen sollte demnach während des gesamten Geschwindigkeitsbereichs so wenige Schaltvorgänge wie möglich benötigen; bei niedrigen Motordrehzahlen eine hohe Zugkraft bieten; im gesamten Drehzahlbereich des Motors ausreichenden Leistungszuschuss bereitstellen.

Eigenentwicklung

Der neue Scania 14,2-Liter-V8-Motor hatte in der Welt der Dieselmotoren eigentlich keinen richtigen Vorgänger, sondern wurde von Anfang an für die Turboladetechnik und Langlebigkeit entwickelt. Eine optionale Ausführung als Saugmotor mit 260 PS war für Busse erhältlich und verwandelte Busreisen in ein komfortables Gleiten durch die Landschaft.

Der Scania LB140 erreichte mit seinen verschiedenen Modellen innerhalb kurzer Zeit ein hohes Ansehen. Diese Fahrzeuge kombinierten hohe Motorleistung mit einer Drehmomentkurve, die das Fahren mit niedriger Drehzahl begünstigte – bei einem so schweren Fahrzeug eine äusserst angenehme und gleichzeitig effiziente Kombination. Viele Kunden freuten sich ausserdem über das V8-Emblem und den typischen Sound, der einem sonoren Grollen glich. All dies – in Kombination mit langer Lebensdauer – führte in kurzer Zeit dazu, dass der 14-Liter-V8-Motor zur Legende wurde.

PS und Tonnen-Norm

Mitte der 70er-Jahre erkannten Verkehrssicherheitsbehörden, dass es notwendig war, Normen festzulegen, damit Lastwagen in dem immer dichter werdenden Verkehr mithalten konnten – ohne die Autofahrer zu frustrieren oder zu behindern. In Deutschland lautete die Empfehlung z. B. 8 PS pro Tonne Bruttogewicht, d. h. etwas mehr als 300 PS für die erlaubten 38 Tonnen. Der 375 PS starke Scania V8 kam damals fast an 10 PS/Tonne heran, ein Wert, der sich in Europa im Fernverkehr erst 25 Jahre später durchsetzen sollte (40 Tonnen, 400 PS im Jahre 2000).

Gleichzeitig überzeugte der Scania V8 durch hervorragende Fahrleistungen auch für höhere Lastzuggewichte. Heute werden in Skandinavien immer häufiger lange 60-Tonnen-Züge eingesetzt, und daher werden Motorleistungen von ca. 600 PS gewünscht – besonders für Anwendungen für die die 10 PS pro Tonne gelten (was in der Praxis aber schon wieder als „knapp genügend“ eingestuft wird).

Erfolg für 14-Liter-Motor

Die Leistung des 14-Liter-Motors wurde in mehreren Schritten auf 530 PS erhöht, die letzte Version dieses Motors – gefertigt zwischen 1995 und 2001 – bot ein Drehmoment von 2.300 Nm. Die Leistung hat sich damit um mehr als 50 Prozent, das Drehmoment sogar um 85 Prozent erhöht.

Jahr

1969

1995

Bauweise

90-Grad V8

90-Grad V8

Emissionsnorm

Euro 2

Hubraum

14,2 Liter

14,2 Liter

Bohrung x Hub

127 x 140 mm

127 x 140 mm

Spitzenleistung

350 PS

530 PS

Drehmoment

1.245 Nm

2.300 Nm

Scania hat etwa 170.000 14-Liter-V8-Motoren im Zeitraum von 1969 bis 2001 ausgeliefert - für Lkw, Einbau- und Schiffsmotoren sowie für ca. 900 Reisebusse.

16-Liter-Motor als Nachfolger

Der im Jahre 2000 vorgestellte 16-Liter-V8 ist in seiner Konstruktion völlig neu – er basiert auf dem gleichen Modul-Zylinder-Konzept, das Scania auch für seine 9-, 12-, 13- und 16-Liter-Motoren einsetzt. Der 16-Liter-V8 wurde seither von der Euro 4-Norm zur Euro 5-Norm weiterentwickelt. Die Spitzenversion dieses Motors leistet heute 620 PS sowie ein Drehmoment von 3.000 Nm.

Jahr

2000

Heute

Bauweise

90-Grad V8

90-Grad V8

Emissionsnorm

Euro 3

Euro 5

Hubraum

15,6 Liter

15,6 Liter

Bohrung x Hub

127 x 154 mm

127 x 154 mm

Spitzenleistung

580 PS

620 PS

Drehmoment

2.700 Nm

3.000 Nm

Scania ist seit vielen Jahren der Bestseller unter den Lastwagen, die über eine Motorleistung von über 500 PS verfügen. Der V8-Motor von Scania eroberte beispielsweise Italien in den 70er-Jahren im Sturm – und ist seither ein Verkaufserfolg in diesem Markt.

Der V8 ist eine äusserst kompakte Konstruktion mit einem sehr günstigen Leistungs-Gewichts-Verhältnis. Der Motor eignet sich auch für den Einsatz in geländetauglichen Kippern und anderen Baumaschinen, kommt aber auch in Spezialfahrzeugen sowie Booten von Streitkräften zum Einsatz.

Mehr als eine Viertelmillion Scania V8-Motoren wurden seit 1969 ausgeliefert. Davon sind heute noch mindestens 100.000 Motoren im Einsatz.

Jahr

Meilenstein

Leistung

Drehmoment

1969

Neuer 14-Liter V8-Motor mit Turboladung

350 PS bei 2.300 U/min

1.245 Nm bei 1.500 U/min

1969

Einbau- und Schiffsmotoren

350 PS bei 2.300 U/min

1.270 Nm bei 1.450 U/min

1971

Saugmotor für Lkw und Busse

260 PS bei 2.300 U/min

   932 Nm bei 1.200 U/min

1973

Ladeluftgekühlter Schiffsmotor

404 PS bei 2.100 U/min

1.290 Nm bei 1.300 U/min

1976

Einstellung der Fertigung des Saugmotors

1976

Niedertourige Philosophie

375 PS bei 2.000 U/min

1.480 Nm bei 1.300 U/min

1981

Scania Baureihe 2

388 PS bei 2.000 U/min

1.580 Nm bei 1.300 U/min

1982

Ladeluftkühlung wahlweise

420 PS bei 1.900 U/min

1.725 Nm bei 1.250 U/min

1985

Ladeluftkühlung serienmäßig

430 PS bei 1.900 U/min
400 PS bei 1.900 U/min

1.725 Nm bei 1.250 U/min
1.605 Nm bei 1.300 U/min

1985

Schiffsmotor

451 PS bei 2.100 U/min

1.750 Nm bei 1.200 U/min

1987

Scania Baureihe 3mit EDC   

404 PS bei 1.900 U/min
450 PS bei 1.900 U/min
470 PS bei 2.100 U/min

1.663 Nm bei 1.250 U/min
1.915 Nm bei 1.150 U/min
1.940 Nm bei 1.250 U/min

1991

Euro 1

453 PS bei 1.900 U/min
500 PS bei 1.900 U/min

2.030 Nm bei 1.150 U/min
2.130 Nm bei 1.000-1.500 U/min

1994

Euro 2

500 PS bei 1.900 U/min

2.130 Nm bei 1.000-1.500 U/min

1995

Scania Baureihe 4

460 PS bei 1.900 U/min
530 PS bei 1.900 U/min

2.030 Nm bei 1.100-1.500 U/min
2.300 Nm bei 1.100-1.500 U/min

1999

Schiffsmotor

800 PS bei 2.200 U/min

2.680 Nm bei 2.000 U/min

2000

Neuer 16-Liter V8-Motor

480 PS bei 1.900 U/min
580 PS bei 1.900 U/min

2.300 Nm bei 1.100-1.300 U/min
2.700 Nm bei 1.100-1.300 U/min

2002

Schiffsmotor

900 PS bei 2.300 U/min

3.000 Nm bei 1.500 U/min

2004

Scania Baureihe R

500 PS bei 1.900 U/min
580 PS bei 1.900 U/min

2.400 Nm bei 1.100-1.300 U/min
2.700 Nm bei 1.100-1.300 U/min

2005

Euro 4

500 PS bei 1.900 U/min
560 PS bei 1.900 U/min
620 PS bei 1.900 U/min

2.400 Nm bei 1.100-1.400 U/min
2.700 Nm bei 1.100-1.400 U/min
3.000 Nm bei 1.100-1.400 U/min

2007

Euro 5

500 PS bei 1.900 U/min
560 PS bei 1.900 U/min
620 PS bei 1.900 U/min

2.500 Nm bei 1.000-1.350 U/min
2.700 Nm bei 1.000-1.400 U/min
3.000 Nm bei 1.000-1.400 U/min

 

 


Scania 500/560/620 PS 16-Liter-V8-Euro-4-Motor. 2005.


Scania 16-Liter-V8-Antriebsstrang. 1999.


Scania 360/400/440/480 PS 13-Liter-Euro-5-Motor
Man beachte die schmale Bauweise des Sechszylinders


V8-Platte Schutzblech, auf LKW. 2009.


Scania R 620 6x2 / 4 Highline Zugmaschine. 2009.


Scania R 620 6x2 Topline-Box mit Auflieger. 2009


Model badge chrome. Modell Akkreditierungsausweis Chrom. 2009.


V8-Platte Schutzblech, auf LKW. 2009


Scania LBS140 46S und Scania R 620 6x2 / 4 Highline


Scania T144 GB4x2 Saft-Tanker. 1999. Brasilien.


Scania LS141 und LBS141. 1977.


Scania LS 140. 1969


Wind Farm Schiff-, Süd-Boote, powered by Scania 16-Liter-V8-Motor Marine


Auch MAN zieht mit und weist mit dem V8-Emblem auf die Motorisierung hin. TGX 33.680 6x4 BLS, 680 PS (500 kW / 3000 Nm), Euro-5-SCR-V8-Motor mit Common-Rail-Einspritzung.

 

 


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