Renault „Sherpa“ – MOWAG-EAGLE lässt grüssen

Text und Bilder: Renault / Ruedi Baumann

BPZ /Lyon / 01.12.08: Die Vorbereitungen für die zweite Auflage des Renault Trucks Adventure laufen auf Hochtouren. Mit einem geplanten Start am 1. März vom Nordkap (Norwegen) und einer geplanten Ankunft am 1. Juli 2009 in Kapstadt (Südafrika) nimmt die Expedition mit dem Namen Cape-to-Cape Gestalt an. 16 Wochen lang werden sechs Renault Kerax und sechs Renault Sherpa drei Kontinente mit extremen Klimabedingungen durchqueren.

Unter Herstellern von schweren Allradfahrzeugen ist es ein offenes Geheimnis, dass derartige Härtetests militärischen Entwicklungen und Erprobungen dienen. Computerprogramme und Prüfstand-Langzeit-Lauftests leisten zwar heute eine enorme Vorarbeit, aber verborgene Schwachstellen treten trotzdem erst bei mörderischen Praxisläufen zutage. Der Lastwagen Renault Kerax 6x6 ähnelt den üblichen Rallyetrucks und Safarivehikeln, wie beispielsweise den MAN/Iveco/DAF/Mercedes-Servicelastwagen, welche als Begleitfahrzeuge an Rallyes teilnehmen.

Expeditionsfahrzeug mit Sehschlitzen?

Höchst erstaunlich ist die frappante Ähnlichkeit des Renault Sherpa mit dem schweizerischen MOWAG EAGLE II. Zumindest äusserlich. Bei einem Expeditionsfahrzeug ist eine gute Rundumsicht Voraussetzung. Betrachtet man jedoch die „Winzfenster“ des Sherpa und die extrem breiten Fensterpfosten, ist die Vorbereitung für den Einbau von gepanzertem Glas unübersehbar – die Rundumsicht jedoch enorm eingeschränkt. Demzufolge äusserst ungeeignet für „Expeditionsfahrzeuge“. Swissmotor ist kein ähnliches „Adventure“-Fahrzeug bekannt, das solch kleine Fensterscheiben, vier Scheibenwischer und derart breite Fensterpfosten aufweist. Für eine wirkungsvolle Panzerung sind jedoch vor allem massive Fensterpfosten unverzichtbar.

Privat nicht käuflich

Offenbar bestehen leicht unterschiedliche Karosserievarianten des Sherpa. Einige Modelle weisen grössere Fenster auf. Auch beim EAGLE musste im Laufe der Entwicklung auf grössere Scheiben ausgewichen werden, weil die ursprünglichen „Sehschlitze“ den Sicherheitsbestimmungen im Verkehr nicht genügten. Aber mehrschichtige Panzerglasfenster sind unheimlich gewichtig und kostspielig. Daher erstaunt es ein wenig, dass der neue MOWAG-EAGLE VI eine nicht wie bisher zweigeteilte, sondern eine durchgehende Frontscheibe aufweist. Amüsant ist auch das grosse Reserverad auf einem Teil der Dächer des Sherpa. Es ist ziemlich genau dort, wo beim EAGLE der Drehturm angeordnet ist. Wie uns Renault versicherte, wird der Sherpa keinesfalls für Privatpersonen erhältlich sein. Auch künftig nicht. Die logische Folgerung überlassen wir unseren Lesern...

Vierzylinder-Dampfhammer

Die Motorisierung der beiden Fahrzeuge ist ebenfalls ähnlich, nur hämmert im Sherpa ein 4,79 Liter-Vierzylinderdiesel (!) mit 215 PS und 800 Nm/ bei 1200 bis 1800 U/min, wogegen im EAGLE II ein V8 Turbodiesel von 6,425 Litern Kubikinhalt und 190 PS die Ohren volldröhnt. Das Leergewicht des Sherpa beträgt (ungepanzert) 5400 kg, beladen 7’700 kg. Das des gepanzerten CH-EAGLE II lediglich fünf Tonnen. Der neuste EAGLE IV wiegt indessen wesentlich mehr, was auch der Grund dafür war, dass man bei der MOWAG vom ursprünglichen HUMVEE Chassis und seinen Antriebskomponenten Abschied genommen hat. Sie erwiesen sich den höheren Gewichten nicht gewachsen. Wie die EAGLE (und der HUMVEE) verfügt auch der Sherpa trotz seiner Breite lediglich über vier Sitzplätze. Er hat permanenten Allradantrieb, Reduktion und ein Automatengetriebe mit sechs Gängen. Die Böschungswinkel betragen v. 70°, h. 50°.

Frankreich will französische Produkte

Obwohl die gepanzerten Fahrzeuge aus der Kreuzlinger Schmiede inzwischen Weltruhm geniessen, ist es MOWAG in all den Jahren nie gelungen, mit ihren Erzeugnissen in Frankreich Fuss zu fassen. Die Franzosen sind ein sehr patriotisches Volk und ziehen eigene Erzeugnisse vor. Ein extremer Kniefall war schon der militärische Mercedes/Puch G, der jedoch in Frankreich hergestellt und Antriebskomponenten von Renault und Peugeot besitzt (man erkennt den Unterschied äusserlich an den gelben Scheinwerfern). Weil der Ruf nach gepanzerten Späh- und Kommandofahrzeugen für den Einsatz in Krisenregionen immer lauter ertönt, will Renault nun offensichtlich ernsthaft mit einem „französischen“ Erzeugnis aufwarten. Da liegt es wohl auf der Hand, ein kriegserprobtes und –bewährtes Produkt aus dem Nachbarland abzukupfern. Es ist schliesslich unnötig, das Rad jedes Mal neu zu erfinden.

Ratespiel

Leider konnten wir keinen Blick in den Unterbau des Sherpa tun. Vom Achsrohr des neuen EAGLE IV ist nichts zu sehen, jedoch sind die Achsantriebe mit einer doppelten Reduktion und Zentral-Diffsperre und pneumatischen Einzel-Achssperren ausgerüstet. Nicht ganz klar ersichtlich ist die genaue Art der Aufhängung. Zu sehen sind Schraubenfedern und offenbar vom Fahrer fernverstellbare Stossdämpfer. Einzelnen Datenblättern kann man entnehmen, dass auch der Luftdruck in den Reifen verstellbar ist (CTIS). Die Reifendimension 13R22,5 lässt sogenannte Runflat-Tires zu, was auch wieder einer gepanzerten Militärversion entspricht. Aus eingeweihten Militärkreisen konnten wir erfahren, dass Renault schon früher mit einem einigermassen ähnlichen Fahrzeug an internationalen Militärfahrzeugausstellungen präsent war, jedoch nie punkten konnte. Diese Scharte scheint man nun ausmerzen zu wollen.

Extremer Härtetest

Die Expedition von Renault Trucks Adventure führt unter der Bezeichnung Cape-to-Cape vom Nordkap in Norwegen bis zum Kap der Guten Hoffnung in Südafrika. Sechs Renault Kerax und sechs Renault Sherpa werden von der Nordspitze bis zur Südspitze der Kontinente über 30.000 km zurücklegen und dabei mit extremen Klimabedingungen konfrontiert werden, denn es geht sowohl durch eisige Kälte als auch durch Wüsten mit extremer Hitze. Die Expedition beginnt mit dem europäischen Teil, dessen Strecke durch Russland bis nach Istanbul führt. Es geht weiter durch den mittleren Orient auf einer Route, die noch bekannt gegeben wird. Die dritte - afrikanische - Etappe des Abenteuers führt durch Ägypten, Kenia, Tansania und endet am Kap der guten Hoffnung.

PR-Tour?

Auf der Cape-to-Cape Tour werden die Renault Kerax- und die Renault Sherpa-Fahrzeuge ihre Technik und die Abgasnormen Euro 4 und Euro 5 unter schwersten Bedingungen testen können. Die von Renault Trucks zur Abgasnachbehandlung gewählte SCR-Technologie (Selective catalytic reduction) wird während der Expedition auf eine harte Probe gestellt. Darüber hinaus bietet das Rennen für Renault Trucks eine hervorragende Gelegenheit, seine aktuellen Technologien und Fahrzeuge vorzustellen, unabhängig davon, ob sie in den durchquerten Ländern vertrieben werden oder nicht. Die 16-wöchige Tour wird von zahlreichen Veranstaltungen begleitet.

Von der Seidenstrasse zum Cape-to-Cape

Die Cape-to-Cape-Tour folgt ganz der Idee der Seidenstrassen-Expedition aus dem Jahr 2005, als sechs Renault Kerax und zwei Renault Sherpa auf den Spuren von Marco Polo von Lyon nach Peking fuhren. Die legendäre Route der Seidenstraße führt seit jeher Menschen und Traditionen über Länder und Kontinente hinaus zusammen. Renault Trucks nahm dieses Thema auf und stellte auf der Expedition die Werte Menschlichkeit, Effizienz und Innovation unter Beweis. In etwas mehr als zwei Monaten legte die Karawane von Renault Trucks die 22.000 km zurück, die zwischen Lyon, dem Zentrum der französischen Seiden- und Lkw-Tradition, und Peking, der Hauptstadt des Reichs der Mitte in Asien liegen.

Erste Eindrücke und Fotos sind unter >>> www.renault-trucks.com/capetocape/ zu finden.


Der Renault Sherpa. Angeblich ein Expeditionsfahrzeug – allerdings nicht für privat Käufer.


Dass er hochgeländegängig ist, daran herrscht kein Zweifel. Siehe Böschungswinkel und Riesenräder.


Erstaunliche Ähnlichkeit mit dem MOWAG EAGLE (hier das neuste Modell mit durchgehender Frontscheibe).


Die Schweizer Militärausführung verfügt noch über geteilte Frontscheiben.


Analog sind die vier Scheibenwischer und die als „Sehschlitze“ konzipierten Seitenfenster.


Viele Karosseriemerkmale ähneln sich zu sehr, als dass es ein reiner Zufall sein könnte.


Nicht identisch sind die Radbefestigungen. Allerdings sind sie beim neuen EAGLE durch Panzerplatten verdeckt.


Der hintere Aufbau des Sherpa ist offenbar aufgesetzt. Dank fehlendem Drehturm findet das Ersatzrad einen idealen Platz.


Beim Renault Kerax 6x6 schränken die 600 Liter-Treibstofftanks die Bodenfreiheit zwischen Vorder- und Hinterrädern empfindlich ein.


Dieses Sherpa-Modell weist grössere Seitenfenster auf. Gut möglich, dass es sich um ein Vorgängermodell handelt.

Die Tour startet am Nordkap in Norwegen und führt bis zum Kap der Guten Hoffnung in Südafrika.

 

 


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