Die eigentliche Fahrschule absolvierten wir aber auf dem altehrwürdigen „Vierlivier“, dem Saurer 4CM. Dieser wurde dann auch als erster Lastwagen in die eigene Sammlung der Oldtimer Lastwagen aufgenommen. Der sehnliche Wunsch, einmal die Königsklasse
unter den mil Fz zu besitzen, war damit aber noch nicht gestillt. Vorsorglich besorgte ich schon vor Jahren einen Ersatzteilkatalog für den 330er. Und dann endlich, Ende 2005, ergab sich die Gelegenheit von der RUAG Liq das Fz M+ 64829 mit Jahrgang 1980 zu kaufen. Im
Januar 2006 verschob ich das Fz vom AMP Romont ins AMP Embrach mit Zwischenhalt bei Lastwagen Stutz GmbH in Zufikon. Dort wurde ein grosser Service durchgeführt, die Zylinderkopfdichtung gewechselt und weitere mechanische Arbeiten ausgeführt. Erste Ausfahrten und
Planung
Während der Saison 2006 und 2007 fuhr ich den 330er an den einschlägigen Oldtimer Ausfahrten und zu den Treffen. Nur eben, der Muki sollte wieder so aussehen, wie die damals im AMP Hinwil gefassten, fabrikneuen Lastwagen. Eine komplette und umfassende
Restauration motivierte mich und so begann Mitte 2007 die Planung für dieses Projekt. Schon früh begann ich, die nötigen Ersatzteile zu organisieren. Welche Adresse ist dazu besser geeignet als die von Walti Stutz? Dank ihm ist es möglich, auch 25 Jahre nach der
Schliessung der Lastwagenproduktion der AG Adolf Saurer fast sämtliche Ersatzteile zu bekommen. Ist ein Teil einmal nicht vorhanden, so lässt er diese in der Regel mit den Original-Werkzeugen von Saurer nachproduzieren. So etwa u.a. sämtliche Gummi-Teile. „Gewusst wo“
Klar war auch, dass das Zerlegen vom 330er nicht im „AMP Embrach“ stattfinden konnte. Dafür fehlten schlicht und ergreifend die nötigen Einrichtungen. Da mein Kollege Christian Trachsel, selbst Saurer-Besitzer und ausgewiesener Oldtimer-Lastwagenmechaniker, bei der
Garage Vetterli AG in Ohringen arbeitet, habe ich entschieden, dorthin das Zentrum für die grosse Zerlegung und den Wiederaufbau zu verlegen. Darum herum plante und organisierte ich den Kreislauf der ausgebauten Teile: wo werden diese abgelaugt, sandgestrahlt, überholt,
neu verzinkt oder promatisiert, gemalt, gespritzt usw. Das grosse Zerlegen
Im Dezember 2007 war dann Startschuss. Die Felsmulde sowie die Kippsäule wurden gelöst. Die Mulde mit dem Spannset gesichert fuhr ich mit dem Muki nach Glattfelden, wo Kari Bosshard in seinem
Sandstrahlwerk die Mulde mit dem Stapler abhob. Die Fahrt zurück ohne Mulde war ein ungewohntes Fahrgefühl. Ähnlich einem Sattelschlepper ohne Auflieger. Bei Vetterli wurden die hinteren Federpackete ersetzt, eine EG-Anhängerbremse eingebaut und das Fahrzeug sukzessive
zerlegt. Das ausgarnierte Muki-Skelett wurde danach zum Spritzwerk Reinhard Meyer in Oberwinterthur überführt. Hier kamen endgültig die letzten Teile, die zum Fahren notwendig waren, weg. Nach Demontage von Auspuff, Dieseltank und weiteren Anbauteilen begann die grosse
Schleifarbeit. Stunden über Stunden. Nur an einer Stelle, vorne links an der Kabine unter dem Kotflügel, kam Korrosion zum Vorschein. Ansonsten kam es zu keinen unliebsamen Überraschungen. Bewährte Saurer-Qualität eben! Die „sichtbarste“ Phase einer Restaurierung
Nach der Grundierung begann die Neulackierung mit der Zweikomponenten RAL6014 Farbe, die zu 80% abgemattet wurde. Im Gegensatz zur Armee, wo ausschliesslich aus militärischen (Sicht)Gründen Mattfarbe verwendet wird, hat der Muki nun einen wunderschönen leichten Glanz.
Die Mulde wurde auf einem LW separat dorthin transportiert und ebenfalls gespritzt. Noch im Spritzwerk wurde der Muki wieder fahrtüchtig gemacht, das heisst, alle nötigen Teile, um das Fahrzeug aus eigener Kraft zu bewegen, wurden wieder montiert. In diesem
Frischluft-Zustand wurde das neu lackierte Muki-Skelett zurück zur Garage Vetterli gefahren. Mühsamer Kleinkram
Nun begann die Sisyphusarbeit – aufwändig und intensiv, aber spannend und interessant. Teil um Teil wurde wieder montiert. Allerdings auch hier mit
jeweils grossen Vorbereitungsarbeiten. Als Beispiel dazu diente das Einpassen und –kleben der neuen Dämmmatten auf der Innenseite der Motorhaube. So vergingen die Tage bis zum Anschliessen der Scheinwerfer, Rücklampen und Blinker inkl. Funktionskontrolle.
Selbstverständlich wurden auch alle anderen Funktionen systematisch getestet. Ende April 2008 sah der Saurer D330N 6x4 dann endlich wieder aus wie bei der Neuwagenablieferung ab Werk AG Adolf Saurer in Arbon. Die ersten öffentlichen Auftritte erregten auch gleich die
Aufmerksamkeit vieler Leute. Mehrmals wurde ich gefragt, ob dieses Fahrzeug neu sei, worauf ich jeweils antwortete, dass wir den Wagen gerade eben im Herstellerwerk Arbon abgeholt hätten...(!) Ohne Helfer aussichtslos
Viel Schweiss und Herzblut stecken in diesem
Projekt! Bis der 330er endlich in diesem Zustand war, sind ca. 600 Arbeitsstunden durch mich, den Sandstrahler Kari Bosshard, die Ablaugerei Meier, Christian Trachsel von der Garage Vetterli, das Spritzwerk Reinhard Meyer und Walti Stutz investiert worden. Einen
besonderen Dank geht an dieser Stelle an Chrigel Trachsel. Er hat mich mit unermüdlichem Einsatz, Kompetenz, Hingabe und viel Liebe zum Detail unterstützt! Der grosse Moment
Am 9. September 2008 stand ein weiterer Meilenstein bevor: Auf der Bahn 6 im
Strassenverkehrsamt Winterthur wurde der Saurer D330N 6x4 unter dem strengen Auge vom Chefexperten Erich Arzethauser vorgeführt. Auch für ihn war diese Abnahme nicht alltäglich und mit Nostalgie verbunden. Erich Arzethauser arbeitete 1980 nämlich bei Saurer und war
verantwortlich für die Ablieferung der 65 330er an die GRD. Also ein echter Kenner der Materie. Fazit und ein Déjà-vu
Der 330er ist nun wirklich eine Augenweide und bereitet mir auf Ausfahrten viel Freude und Abwechslung zu meinem Beruf als Unternehmensberater. Und
es ist dasselbe erhabene Gefühl wie damals 1981 auf meiner ersten Fahrt von Hinwil nach Wangen a/A. Technischer Steckbrief
Leergewicht |
13500 kg (29762 lb) |
Gesamtgewicht |
25000 kg (55116 lb) |
Nutzlast |
11500 kg (25354 lb) |
Ausnahmetransporte Gesamtzugsgewicht |
65000 kg (143300 lb) |
Max. Besatzung |
3 Vorne & 0 auf der Ladebrücke |
Länge |
8.17 m (321.7 in) |
Breite |
2.47 m (97.2 in) |
Höhe |
2.87 m (3.02 m über Warnlicht) (113 in / 118.9 in) |
Wendekreis |
18.5 m (60.7 ft) |
Motorleistung |
243 kW / 326 PS (326 hp) |
Hubraum |
11946 ccm (729 ci) |
Zylinder |
6 |
Treibstoff |
Diesel |
Tankinhalt |
300 Liter (79 gallons) |
Verbrauch |
55 Liter/100km (4 miles /gal) |
Kategorie militärischer Führerausweis |
III |
Besonderes |
Hydraulische 10 Tonnen Seilwinde Garantiertes Gesamtgewicht 65'000kg |
Anmerkung der Redaktion: Der vorliegende Bericht mit den vielen Detailbildern soll sowohl allfällige Möchtegern-Oldtimerbesitzer davon abhalten, sich an derartige „Experimente“ heranzuwagen, aber zugleich als Motivation dienen, zahllose Arbeitsstunden
in die Restaurierung unwiederbringlichen „Kulturgutes“ zu investieren. Nicht zuletzt ist es jedoch eine Finanz- und Platzfrage, die entscheidet, ob man einer solchen Aufgabe überhaupt gewachsen ist. Zudem sind längst nicht alle Ehefrauen damit einverstanden, das
häusliche Zusammenleben plötzlich und über einen längeren Zeitraum mit einem „Rosthaufen“ zu teilen… // rb |
Der Verfasser Christoph
Wolleb in der Motorfahrer-Rekrutenschule RS 1981 – vorerst noch im Saurer 4CM und 2DM. Erster Akt: Die schwere Felsenmulde wird im Sandstrahlwerk von Karl
Bosshard in Glattfelden mit einem Stapler abgehoben. Ganz SUVA-Konform, oder?
So ohne Mulde sieht der Muki ganz nackt und schlank aus. Zudem war die
Beschleunigung bei der Weiterfahrt so gut wie noch nie.
Die grosse Zerlegung: Bei der Garage Vetterli in Ohringen wird der Muki ausgeschlachtet.
Auch die Kabine wird bis auf die Haut zerlegt; Türen und Scheiben weg, alles Innenleben raus.
Bilder Christoph Wolleb
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