Huckepack auf US-Manier

Text: Ruedi Baumann

BPZ /  06.03.08 / Zugegeben, Rückwärtsfahren mit einem solchen „Tatzelwurm“ würde schon nach wenigen Metern in einem Desaster enden – aber dasselbe gilt auch für die australischen Road-Trains. Der Fahrer muss einfach wissen, dass nebst dem Anhalten nur Vorwärtsfahrt möglich ist. Pragmatisch, wie man in der „neuen Welt“ nun einmal ist, werden u.a. Transporte, beziehungsweise Überfuhren von neuen Lastwagen auf eine Art vollzogen, die hierzulande jedem amtlichen Zulassungsbeamten eine Herzattacke bescheren würde.

Allerdings wurden bis vor wenigen Jahren auch in der Schweiz Baukräne (sog. Wippkrane) auf ähnliche Art und Weise auf dem Strassenweg transportiert. Unter die Gegengewichtskästen, Drehkranz und Winden gelangte ein Hilfsfahrwerk. Die mit vielen Ketten gesicherte Kranspitze ruhte auf einem Drehschemel plus Kanthölzer auf der Lastwagenbrücke.

Das Hilfsfahrwerk war mit einer Druckluftbremse mit „fliegender“ Bremsleitung zum Zugfahrzeug ausgerüstet. Infolge der enormen Länge des Kranturmes – bis 35 Meter! – musste ein Gehilfe, inmitten des Krangestänges stehend, ein gusseisernes, auf dem Kran-Drehmotor aufgesetztes „Lenkrad“ betätigen. Eine höchst gefährliche Aufgabe übrigens, weil es ihm, falls die Bremsen ungleich zupackten oder einer der Reifen auf ein Hindernis prallte, das Rad aus den Händen schlug.

Die abgebildeten „Huckepacklastwagen“ sind ungefähr identisch befestigt, indem die Vorderachse jedes geschleppten Fahrzeugs jeweils auf einem Drehschemel (allerdings primitivster Art) des vorlaufenden Wagens ruht. Offenbar ist diese Transportweise gang und gäbe, wie die Befestigungen der Achsen mit je zwei Stahlklammern und darunterliegendem Eisenbalken verraten. Um die Vorderräder der geschleppten Lastwagen nicht demontieren zu müssen, sorgen schmale, durch vier (reichlich knapp bemessene) Schrauben gesicherte „Distanzhölzer“ für genügend seitliche Ausdrehhöhe. Der „Drehschemel“ befindet sich in der Mitte des Eisenbalkens unterhalb der Achsklammern.

Eine fliegende Anhänger-Druckluftleitung, sauber oberhalb der Achsen im Drehpunkt von Lastwagen zu Lastwagen geführt, sorgt dafür, dass beim Bremsen des Zugfahrzeugs alle „aufgesattelten“ Lastwagen ebenfalls ihre Bremsen betätigen. Kenner der Materie werden jedoch bemerken, dass es sich lediglich um eine Einleiter-Bremse handelt. Es wird also während des Bremsvorganges keine Luft nachgespiesen.

Nicht auf dem Bild zu sehen ist das Elektrokabel, welches ebenfalls bis zum hintersten Lastwagen verlegt sein muss, um die Schluss-, Brems- und Richtungsanzeigerleuchten der Huckepacklastwagen zu aktivieren. Möglicherweise ist sogar der Retarder (verschleisslose Nutzbremse) des Zugfahrzeugs mit der Anhängerbremsleitung verbunden, weil sonst bei Talfahrt und kräftigem Retarder der gesamte Huckepackverein „auflaufen“ würde. Die je vier schwächlichen Befestigungsschrauben zwischen Drehschemel, Holzklötzen und Chassis würden einer solchen Stosswirkung oder Seitenkräften kaum standhalten. Sicherungsketten fehlen. Dazu muss jedoch angemerkt werden, dass die Bilder des kompletten Huckepackzuges und das Detailbild der Befestigung nicht vom selben Fotografen geschossen wurden.

Beim abgebildeten „Tatzelwurm“ sind befremdlicherweise nur die Vorderräder des vordersten „Auflieger“ nicht demontiert, während sie bei den Nachfolgern fehlen. Falls es sich, wovon auszugehen ist, um angetriebene Hinterachsen handelt, sind mit Sicherheit auch die Kardanwellen zur hintersten Achse vor dem Transport einseitig demontiert worden.

Die Western-Star-Trucks wurden auf dem Trans-Canada Highway / Yellowhead Highway 16 zwischen Jasper und Edmonton ca. 30 km von Jasper Richtung Edmonton bei Pocahontas fotografiert. Die Marke des Zugfahrzeugs ist nicht bekannt.

 


Warum denn kompliziert, wenn es einfach auch geht? Leider ist der Swissmotor-Redaktion nicht bekannt, aus wie vielen „Einzelteilen“ maximal ein derartiger Tatzelwurm bestehen darf. Rückwärtsfahren mit einem derartigen „Gliederzug“ ist praktisch unmöglich.


Nicht ganz ersichtlich ist, wieso der vorderste Western-Star-Auflieger Vorderräder aufweist, während diese bei den Nachfolgern abmontiert sind. Der hinterste Lastwagen trägt ebenfalls ein Distanzholz auf dem Chassis. Möglicherweise war der Huckepackzug ursprünglich noch länger und ein oder mehrere Lastwagen wurden vorgängig bereits an ihrem Bestimmungsort abgeladen.


Pragmatische Aufsattelvorrichtung. Die soliden Eisenklammern zur Vorderachse und der darunterliegende Eisenbalken mit Zentrierbolzen deuten auf ein gebräuchliches Transportsystem, wogegen uns europäischen „Sicherheitsfanatikern“ die schmalen Distanzhölzer mit den schwachbrüstigen Befestigungsschrauben das kalte Grausen aufkommen lassen.

Bilder: Andrea und Fridolin Menzi, Ennenda /
Franz Diethelm, Glarus

 

 


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