Ruedi Baumann
Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ZVB waren begeistert über das Fahrverhalten, die Wendigkeit (sie entspricht einem 18-Meter-Bus) sowie der Technik des langen Fahrzeuges. Die Chauffeure machten sich sehr schnell mit der Bedienung vertraut und die Einschulung erwies sich
trotz der anspruchsvollen Grösse als absolut problemlos. Die Probefahrten und die Linieneinsätze verliefen nahezu störungsfrei. Kleinere Störungen wurden sofort vom ZVB-Team behoben, Optimierungsmöglichkeiten registriert und, wenn immer möglich, auch umgesetzt. Als Reklamationsquelle von
Seiten der Passagiere erwies sich der Dieselmotor im Heck des Fahrzeugs. Die Generatorgruppe verlangt eine optimalere Schalldämmung sowohl im Innenraum wie auch gegen aussen. Die Sache hat nur einen kleinen Haken: Da es sich grundsätzlich um einen praktisch lautlosen Trolleybus mit
Elektromotor-Antrieb auf die je zweite und dritte Achse handelt, wird der (unumgängliche) Dieselmotor im Heck auch in Zukunft als „Stilbruch“ in Erscheinung treten. Zauberformel „Supercaps“
Die Firma Hess im schweizerischen Bellach beschritt in Zusammenarbeit mit Vossloh-Kiepe in Deutschland beim vorliegenden Fahrzeug teilweise völlig neue, revolutionäre Wege, anderseits wurden bewährte Komponenten aus dem bisherigen Busbau (u.a. NAW) verwendet. Wie es der Titel bereits
verrät, ist es grundsätzlich ein Trolleybus – jedoch ohne Stromruten und Oberleitung (Fahrdrähte). Die elektrische Antriebsenergie wird von einem relativ schwachen Scania-Dieselmotor (310 PS) im Heck erzeugt. Dass diese Leistung bei einem rund vierzig Tonnen schweren Fahrzeug nicht
ausreicht, leuchtet ein. Die Zauberformel, trotzdem genügend Antriebsleistung zu mobilisieren, hat jedoch einen Namen: „Supercaps“. Das sind neuartige, praktisch verschleissfreie Super-Hochleistungs-Kondensatoren, welche kurzzeitig zusätzliche 200 PS an die beiden Skoda-Elektromotoren (je
160 kW) liefern, wodurch eine praxiskonforme Beschleunigung eintritt. Aufgeladen werden die Kondensatoren jeweils durch die anfallende, beziehungsweise rekuperierte Bremsenergie. So funktioniert es
Die Sache ist einerseits simpel, anderseits sehr komplex. Die Diesel-Generatorgruppe im Heck erzeugt Dreiphasen-Wechselstrom, sogenannten Drehstrom. Drehstrom hat aber die Eigenschaft, bei Elektromotoren nur feste (Drehzahlen)Geschwindigkeiten in Abhängigkeit der Polzahl und Frequenz
zuzulassen. Dank moderner Umrichtertechnik kann aber heute Drehstrom umgewandelt werden, welcher nicht nur die Verwendung von verschleisslosen, gekapselten und wartungsfreien Drehstrom-Asynchronmotoren erlaubt, sondern sich auch sehr fein und stufenlos mittels Frequenzsteuerung regulieren
lässt. Diese Umrichter verfügen über einen sogenannten Gleichstrom Zwischenkreis. Beim (elektrischen) Bremsen funktioniert das System anders herum. Via Leistungshalbleiter Elemente (IGBT’s) wird die Bremsenergie in reinen Gleichstrom umgewandelt, welcher nun die Super-Kondensatoren auf dem
Dach des Busses in Sekundenschnelle auflädt. Das Potential der rekuperierbaren Bremsenergie am Rad hängt sowohl von der Masse des Fahrzeugs als auch vom gewählten Fahrzyklus ab. Für Stadtzyklen können bis zu 35 % Energie zurückgewonnen werden. Nur bedingt einsatzfähig
Kein Licht ohne Schatten. Das System funktioniert leider nur einwandfrei beim steten Stop-and-go-Verkehr in topographisch ebenem Flachland. Auf Bergstrecken ist Feierabend. Weil beim Bergauffahren kaum gebremst werden muss, erfolgt auch kein Aufladen der „Supercaps“, wodurch der „Power-Boost“
beim Anfahren entfällt. Abhilfe wäre nur durch einen wesentlich stärkeren Dieselmotor, oder eine zusätzliche Batteriebank zur Speicherung möglich. Damit beisst sich jedoch der Hund in den Schwanz, weil das wiederum eine enorme Gewichtssteigerung bewirken würde, was das ganze System ad
absurdum führt. Die Frage, ob der Hybridbus nicht zusätzlich mit Zweistangen-Stromabnehmern (Trolleys) für eine streckenweise Stromentnahme aus Fahrdrähten versehen werden könnte, wollte uns der Hersteller nicht beantworten (er zeigte sich ohnehin Swissmotor gegenüber höchst unkooperativ).
Das würde zwar eine verstärkte Dachkonstruktion beim „Nachläufer“ voraussetzen, damit wären indessen auch (abschnittweise) Bergfahrten problemlos möglich – und zudem der jetzige Hauptnachteil beseitigt. Die elektrische Ausrüstung für den Antrieb ist ja bereits grösstenteils an Bord.
Fehlkonstruktionen und eine Zukunftsvision
Summa summarum läutet der Hybrid-Doppelgelenkbus ein neues Zeitalter ein. Eine einzige angetriebene Achse ab Dieselmotor wäre angesichts der Länge des Vehikels – 25 Meter, Fassungsvermögen 200 Personen - ein Unding gewesen. Zwei angetriebene Achsen hätten entweder zwei Dieselmotoren,
Hydroantriebe oder verwinkelte Kardanwellen erfordert. FBW produzierte einst für die Verkehrsbetriebe Zürich Gelenk-Autobusse mit zwei Dieselmotoren (und noch früher für Lausanne einen Zweiachser mit zwei Dieseln nebeneinander). Es waren durchwegs Fehlkonstruktionen, weil die Motoren nie
synchron liefen. Sogenannte Duo-Busse für den Betrieb unter Fahrleitung mit zusätzlichem Dieselmotor für den Betrieb ohne Fahrleitung gab es in den unmöglichsten Konfigurationen. Luzern hatte nach dem Krieg solche Vehikel im Einsatz. Sie waren weitgehend unbrauchbar. Auch dem von einem
voluminösen Schwungrad angetriebenen Gyrobus war kein Erfolg beschieden. Die leichtgewichtigen Supercaps sind noch in der Entwicklungsphase, stellen jedoch erstmals eine wirklich brauchbare Abkehr von den bisherigen Akkumulatoren dar.
Daher war die Entscheidung von Hess, ein Fahrzeug grundsätzlich mit elektrischer Trolleybus-Antriebstechnologie, jedoch unter Verwendung eines „Hilfsdiesels“ und Hochleistungs-Kondensatoren zu bauen, zwar etwas waghalsig, aber imponierend zukunftsorientiert. |
Zukunftweisende Technologien: Doppelgelenk-Trolleybus ohne Stromabnehmer und Fahrleitungen.
Dank sinnvoller Achslenkung des „Nachläufers“ befährt er Kurven wie ein normaler 18-Meter Gelenkbus.
Als Fahrer sollte man nie im Innern des Fahrzeugs nach hinten schauen. Das Ding hört ja gar nie mehr auf!
Hier sieht man deutlich, wie die gesamte Elektronik und die „Supercaps“ auf dem Dach untergebracht sind.
5. Hybrid-5
Der „Tatzelwurm“ in den engen Gassen von Zug. Auf dem Dach die Stromleitung vom „Hilfsdiesel“ im Fahrzeug-Heck.
Der Leiter des Fahrzeugparks der ZVB bevorzugt nach wie vor Anhängerbetrieb, um Frequenzspitzen abzudecken.
Bilder: ZVG/AAGS |