16 Liter-Motor und 660 PS!
Fahrbericht Volvo FH16

Text+Bilder: Ruedi Baumann

BPZ / Nicht nur bei bestimmten Personenwagenmarken, auch bei Lastwagen ist die Zeit der Superlative angebrochen. So wartet der neue Volvo FH16 mit nicht weniger als respektablen 660 PS Motorleistung auf. Dies bei einem Drehmoment von 3100 Newtonmetern. Damit reisst man ein Haus vom Fundament! Natürlich sind 40 Tonnen Gesamtgewicht kein Pappenstiel – aber der FH16 ist grundsätzlich für 160 Tonnen gebaut, folglich steckt er 40 Tonnen sozusagen mit „links“ weg. Wie sehr, dokumentierten die Antriebsräder, die beim Gasgeben mitunter auf trockener Fahrbahn kurz durchdrehten.

Dem reinen Personenwagenfahrer ist weitgehend unbekannt, dass die heutigen modernen Lastwagen wesentlich komfortabler zu fahren sind, als der teuerste Luxusschlitten. Luftgefederte Fahrwerke, luftgefederte Kabinen und luftgefederte Sitze sind beinahe zuviel des Guten, zumal das Gefühl für Geschwindigkeit verloren geht. Bei geschlossenen Fenstern beispielsweise dringt lediglich ein leises Luftsäuseln ans Gehör des Fahrers. Vorbei die Zeiten, wo einem der Motor die Ohren volldröhnte und Zwiegespräche mit dem Beifahrer mühsam bis unmöglich waren.
Sofort Fullpower

Seit die computergesteuerten Getriebe Einzug gehalten haben, sind auch die Zeiten der schweisstreibenden und ermüdenden Hebelei mit dem Schalthebel Vergangenheit; der Fahrer kann seine Aufmerksamkeit heute vollumfänglich dem Verkehrsgeschehen widmen – der Bordrechner wählt und legt stets selbständig den „richtigen“ Gang ein. Auch das Anfahren am Berg stellt kein Problem mehr dar. Gasgeben und nach zwei Sekunden steht bereits 90 Prozent des maximalen Motordrehmoments an.

Kein Kupplungspedal

Das neue, „I-Shift“ genannte Volvo-Schaltgetriebe kommt ohne Kupplungspedal aus – und ist trotzdem kein Automatengetriebe im herkömmlichen Sinne. Scania zum Beispiel verwendet nach wie vor trotz eines fast analogen Schaltsystems ein Kupplungspedal, welches indessen nur zum Anfahren und Anhalten betätigt werden muss. Neulingen erscheint es völlig natürlich, beim Anfahren aus dem Stillstand die Kupplung zu betätigen. Wenn das Anhalten jedoch erst nach längerer Fahrt (wo das Schaltsystem dem Fahrer alle Gangwechsel abnimmt) geschieht, wird das Auskuppeln anfänglich meist vergessen, was angesichts des Gewaltdrehmoments des im Leerlauf drehenden Motors nicht ganz ungefährlich ist. Ein „Abwürgen“ des Motors ist nämlich beinahe unmöglich.

Warnleuchte für Idioten

Auch ohne Kupplungspedal ist ein millimetergenaues Manövrieren auf engstem Raum problemlos möglich, das beweist Volvo eindrücklich. Es bedarf lediglich eines gefühlvollen Gasfusses, um die automatische Kupplung per Motordrehzahl im „Schleifmodus“ zu halten. Wie bei normalen Kupplungen, wird bei unsachgemässer Fahrweise auch beim I-Shift der Kupplungsbelag der Trockenscheibenkupplung verschlissen. Eine rote Kontrolllampe warnt aber den Chauffeur rechtzeitig. Im Vergleich zu „normalen“ Handschaltgetrieben weist jedoch die Trockenscheibenkupplung beim I-Shift eine rund 90 Prozent längere Lebensdauer auf, weil ein unzulässiger Verschleiss lediglich beim Anfahren aus dem Stillstand auftreten kann. Sämtliche Schaltvorgänge beim Fahren schaltet das Getriebe demzufolge wesentlich „sauberer“, als dies ein Mensch je tun könnte.

Cleverer Bordrechner

Erste computergesteuerte Lastwagengetriebe benutzten noch ein Display, das dem Fahrer mit einer Zahlenanzeige signalisierte, welchen Gang das Getriebe „bevorzugen“ würde. War der Fahrer mit der Wahl des Rechners einverstanden, drückte er, quasi als Einverständnis, das Kupplungspedal, worauf das Getriebe den Gangwechsel selbständig vollzog. Dies auch aus dem simplen Grund, weil der Rechner „blind“ war, also weder die Verkehrssituation noch die Topographie erkennen konnte. Die heutigen Rechner sind zwar auch noch weitgehend blind, aber sie registrieren anhand der Fahrweise bestimmte Problematiken und fallen in eine Art defensive Wartestellung, akzeptieren somit auch „unlogische“ Handlungen des Fahrers.

Anfahren am Berg? Null Problemo!

Anhand von Sensoren merken die modernen Systeme sogar, dass das Fahrzeug bergab fährt. Vermag die Motorbremse den Wagen nicht in der vom Chauffeur gewünschten Beharrung zu halten, „holt“ sich das Getriebe mit Zwischengas den nächstniedrigen Gang – und legt sofort wieder die Motorbremse an. Alle neuen Systeme verfügen darüber hinaus über eine Wähltaste mit den Positionen Bergfahrt/Normalmodus. Im Programm „Bergfahrt“ (die Programme haben je nach Marke unterschiedliche Bezeichnungen) dreht der Motor die Gänge höher aus, wodurch eine zügigere Fahrweise, sowie ein Wechsel in den nächsthöheren Gang erreicht wird. Damit sind nun auch schwerste Anfahrten inklusive Hochschalten am Berg Realität geworden, weil der Schaltvorgang wesentlich rascher vonstatten geht, als das bei den Handschaltgetrieben der Fall ist (wo der Karren schneller zum Stillstand kommt, als der höhere Gang eingelegt werden kann).

Eine „echte“ Motorbremse

Volvo ist auch bei der „Motorbremse“ einen Schritt weitergegangen – und vom hitzeproduzierenden Retarder wieder abgekommen. Der FH16 verfügt über eine Staudruckbremse plus variable Ventilsteuerung, also ein frühzeitliches System - VEB, Volvo Engine Brake - kombiniert mit einer Art „Jakobsbremse“ (Jake-Brake), welches eine Maximalbremsleistung von 425 kW entwickelt. Also höher als die effektive Motorleistung. Dieses Bremssystem hat zudem den Vorteil, dass der Motor während des Bremsvorganges nicht abkühlt. In Kombination mit I-Shift ist das eine feine Sache, verlangt indessen, will man die volle Kapazität ausschöpfen, eine vorausschauende Fahrweise.

Keine verschlissenen Bremsbeläge

Wenn der „Bremshebel“ auf die höchste Stufe gestellt wird, bremst das System den Motor mit grösstmöglicher Verzögerung bis in die Leerlaufdrehzahl hinunter ab – und holt selbständig mit Zwischengas den nächstniedrigen Gang. Auf diese Weise bremst er ohne Zutun des Lenkers das Fahrzeug Gang um Gang herunter. Sobald ein sanfter Druck aufs Gaspedal ausgeübt wird, geht der Rechner wieder in Fahrstellung. Der Computer ist dermassen feinfühlig, dass er es sogar bemerkt, wenn der Chauffeur das Gefährt in Beharrung halten möchte, dann dosiert er die Motorbremsleistung ähnlich einem Tempomaten.
Auf Kundenwunsch können die Motorbremsbefehle ins Gaspedal programmiert, beziehungsweise integriert werden, wodurch das Betätigen des Handhebels überflüssig wird. Trotz seiner gewaltigen PS-Entfaltung ist der neuartige 16-Liter-Sechszylindermotor mit Pumpe-Düse- Einspritzung ein Sparwunder. Allerdings hat noch immer die Fahrweise der Person hinter dem Lenkrad einen grossen Einfluss auf den Verbrauch.

Nur fliegen ist schöner

Das Fahren mit dem neuen FH16 ist eine absolute Wucht. Die Übersicht vom Sitz hinter dem Lenkrad ist untadelig, das Handling einwandfrei, der Fahrkomfort beinahe zu gut (der Schreibende hätte gerne die Luftfederung des Fahrersitzes blockiert) und die Instrumentierung verblüffend ergonomisch. Um einen echten „Praxisbericht“ verfassen zu können, hätte jedoch mit den Riesending wochenlang „gearbeitet“ werden müssen, was leider bei derartigen Testfahrten nicht möglich ist. Natürlich benutzten wir so wenig wie möglich Autobahnen (kann jeder Depp), sondern wir quälten den Sattelzug durch Städte, Dörfer, über Berg- und durch Quartierstrassen. Auch das Manövrieren kam nicht zu kurz, wobei die drei ungelenkten Achsen des Aufliegers ein millimetergenaues Rückwärtsmanövrieren in engen Kurven etwas schwammig gestalteten. Bei einem 180° Wendemanöver riss es beinahe die Reifen von den Felgen und das Anhalten (wegen Durchgangsverkehrs) war jeweils von einem Zurückschnellen der Zugmaschine begleitet, als ob sie plötzlich an einem Gummiseil befestigt wäre. Die positive Kehrseite der ungelenkten Achsen war aber ein untadeliger Gradauslauf.

Der Volvo FH16 erfüllt die Euro 4-Norm und ist mit SCR (Reduktionskatalysator) ausgerüstet. Einem System zur Abgasbehandlung, bei dem Stickoxide in Stickstoff und Wasser umgewandelt werden. Unser Testwagen war mit einem AdBlue®-Zusatztank ausgerüstet. Über eine Düse wird wässriger Harnstoff hauchdünn versprüht und vom Abgasstrom mitgerissen. In der Hitze das Abgases hydrolisiert AdBlue®, es bilden sich Ammoniakmoleküle. Im SCR-Katalysator docken die Ammoniakmoleküle an und es beginnt die katalytische Reaktion, so dass nur noch Stickstoff und Wasser aus dem Auspuff und in die Umwelt gelangen.
 


Mit 660 PS ist der Volvo FH16 die stärkste Maschine ihrer Klasse


Rund vier Meter hoch ist das Fahrerhaus


Ziemlich lang ist er auch…..


Erster Fotohalt im oberen Tösstal


Und sogleich die erste 180°-Kehrtwendung


Bei der FBB Frischbeton AG in Dillhaus wollte man unseren Testwagen näher begutachten


Ueli Leuenberger vom Volvo-Kundendienst erklärt Details und Neuheiten


Der FBB-Fahrzeugparkchef will es aber ganz genau wissen


Übersichtliches Cockpit – kein Kippschalterwirrwar


Alle wichtigen Anzeigen genau im Blickfeld des Fahrers


Der Programmwählhebel ist am Fahrersitz befestigt


Konzession an Euro 4: Der AdBlue-Zusatztank


So funktioniert AdBlue. Dieselruss ist Vergangenheit

 

 

 


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