Giezendanner setzt auf Haubenlenker – warum?

Ruedi Baumann

BPZ / Das renommierte Aargauer Transportunternehmen Giezendanner AG konnte vor kurzem fünf neue Scania Haubenfahrzeuge übernehmen. Die fünf Scania-„Hauber“ dienen dem Ausbau der bereits heute respektablen Giezendanner-Flotte und tragen mit ihren leisen Motoren nicht zuletzt auch zum positiven Image des Unternehmens auf den Schweizer Strassen bei.

Unserer Leserschaft braucht man den Unterschied zwischen Hauben- und Frontlenker nicht zu erklären. Wie es aber dazu gekommen ist, dass heute Haubenlenker – also Lastwagen mit einer weit ausladenden Motorhaube – in Europa praktisch aus dem Strassenbild verschwunden sind, kann trotzdem einen kurzen Rückblick vertragen. Es hat mit der vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Gesamtlänge von Fahrzeugen (inklusive Auflieger oder Anhänger) zu tun. Eigentlich ist sogar der Platzbedarf für Chauffeur und allfällige Mitfahrer störend, von einer Schlaf- oder Wohnkabine ganz zu schweigen. Denn alles, was die Nutzlast beeinträchtigt, schmälert den Ertrag.

Daher setzten die Lastwagenkonstrukteure Fahrer und Beifahrer zunächst auf pragmatische Art und Weise kurzerhand neben den Motor – unter teilweise abenteuerlichen Arbeitsbedingungen für die Chauffeure. Dieselbe Entwicklung machten auch Autobusse durch, denn dort war der Platzgewinn durch den Wegfall der Motorhaube (auch wieder begründet durch die vorgegeben Achsabstände und Gesamtlänge des Fahrzeugs) noch gravierender.

In der Neuzeit sind Lastwagen im Frontbereich immer höher geworden. Einerseits infolge des gestiegenen Platzbedarfes der immer stärkeren und demzufolge grösseren Motoren, anderseits durch Komfortansprüche der Fahrer. Zudem geschieht es bei bestimmten Transportaufgaben gar nicht selten, dass der Chauffeur zum Ein- und Aussteigen die Kabinentüre auf der Fahrerseite infolge einer Rampe oder Hauswand nicht öffnen kann. Bei den frühen Frontlenkern bedeutete das jeweils eine lästige Kletterpartie über die innenliegende Motorhaube zur gegenüberliegenden Türe. Aufgeschrammte Schienbeine gehörten daher zu den noch harmloseren Begleiterscheinungen.

Bei Haubenlenkern musste man lediglich darauf achten, beim Hinüberklettern zur gegenüberliegenden Fahrzeugseite nicht mit Schalthebel und Handbremse in Konflikt zu geraten. Die heutigen, hochliegenden Fahrerhäuser bei Frontlenkern erlauben zwar ein relativ müheloses Hinüberklettern - sofern nicht die Armaturen im Halbkreis um den Fahrersitz angeordnet sind. Denn hier drohen abgebrochene Bedienungselemente oder sogar versehentlich aktivierte Aggregate.

Aber die ausladenden Motorhauben der frühen Lastwagen boten andere Vorteile. Vorteile, die leider, siehe oben, mit der Renditenberechnung kollidierten. Die Übersicht, so paradox es klingen mag, ist beim Manövrieren mit Haubenlenkern besser, auch das genaue Abschätzen der Fahrzeugbreite erfolgt präziser. Zudem kann der Fahrer bei einem Haubenlenker, sofern die Rückspiegel auf den Kotflügeln montiert sind oder sonstwie im direkten Sichtfeld des Fahrers liegen, das Geschehen seitlich und hinter dem Fahrzeug beobachten, ohne den Kopf seitwärts drehen zu müssen.

Infolge des menschlichen Sichtwinkels konnte er dabei gleichzeitig den Verkehr vor seinem Fahrzeug im Auge behalten. Beim Frontlenker ging das nicht mehr. Zum Beobachten der dem Lenkrad gegenüberliegenden Fahrzeugseite muss er zwangsläufig den Kopf drehen. Auch aus Gründen der Sicherheit bei Unfällen bevorzugten viele Chauffeure die alten Haubenlenker, denn das solide Schwergewicht des Dieselmotors, das ausladende Chassis und die im Gegensatz zu Frontlenkern entscheidende Meter weiter vorne befindliche Vorderachse erwiesen sich dank ihrer Funktion als Auffangelemente lebensrettend.

Swissmotor fragte den Seniorchef der Giezendanner AG, Nationalrat (SVP) Ulrich Giezendanner persönlich und wollte von ihm erfahren, warum sein logischerweise ebenfalls auf Rentabilität ausgerichtetes Unternehmen neuerdings „unrentable“ Haubenlenker beschafft. Der Vollprofi Giezendanner antwortete wie vom Verfasser erwartet: „Aus Gründen der Sicherheit! Wir transportieren mit unseren Haubenlenkern grösstenteils Chemieauflieger. Unser Kunde forderte von uns als Transportunternehmung grösstmögliche Sicherheit für den Transport seiner Produkte. Aber auch unsere Chauffeure sind sich der zusätzlichen Sicherheit von Haubenlenkern bewusst – und ziehen diese vielfach den Frontlenkern vor.“

Giezendanner erwähnte noch nebenbei die Eigenschaft des erleichterten „Hinüberkletterns“ auf die Mitfahrerseite, weil bei seinen Transportabläufen öfters ein Ein- und Aussteigen auf der Fahrerseite erschwert oder unmöglich sei.

Kurzes Firmenportrait

Die Firma Giezendanner Transport AG wurde von Ulrich Giezendanner sen. im Jahre 1934 als eigentliche Handelsfirma gegründet. Bereits 1936 wurde der erste Lastwagen angeschafft. 1972 übernahm der heutige Inhaber der Firmengruppe, Ulrich Giezendanner, das Unternehmen und 1976 wurde die Transportfirma in eine Aktiengesellschaft umgewandelt.

Im Sinne einer weitsichtigen Entscheidung beschloss das Unternehmen Giezendanner bereits im Jahre 1984 auf kombinierten Verkehr umzusteigen. Erste Tank- und Silocontainer sowie sogenannte Wechselbrücken (WB) wurden beschafft und in der Folge wurde konsequent mehrheitlich in den kombinierten Verkehr investiert. Heute gehören der Transport von flüssigen und festen Gütern, speziell im Chemie- und Lebensmittelbereich aber auch Lagerung und Kommissionierung zum aktuellen Angebot. Dass die Giezendanner Transport AG ISO-zertifiziert ist versteht sich von selbst. Im Hinblick auf eine aktuelle Anpassung auf die sich rasch verändernden wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen, schloss sich das Unternehmen 1999 mit der Firma Lagerhäuser Aarau zusammen.

Der Entscheid, sich im Silo- und Tankbereich zu vergrössern, führte nach sorgfältiger Evaluation durch Stefan Giezendanner und fachlicher Beratung durch Marcel Hofer (Bereich Technik) zum Kauf der fünf zusätzlichen Scania Haubenfahrzeuge. In der künftigen Zweimarken-Strategie des Unternehmens stellt Scania mit rund 20 Fahrzeugen einen respektablen Anteil dar. Ein Fahrzeugwechsel findet normalerweise etwa nach einer Million Kilometern statt. Dass dabei viele Pumpen- und Kompressorstunden für die Motoren zusätzlich anfallen, spricht für deren Standfestigkeit.

Wie Stefan Giezendanner erwähnt, sind die Scania-„Hauber“ ein Traum der Chauffeure, aber auch punkto Sicherheit und nicht zuletzt Gewichtsverteilung stellen sie eine optimale Lösung dar. Gerade aus sicherheitstechnischen Aspekten wird auch von Auftraggebern aus der Chemie vermehrt der Wunsch nach Haubenfahrzeugen geäussert. Den Entscheid für Scania habe nicht nur ein gutes Preis/Leistungsverhältnis gesprochen, so Stefan Giezendanner, sondern auch die bisherigen mit dieser Marke gemachten positiven Erfahrungen.


Bei den fünf Scania Haubenlenkern handelt es sich um Fahrzeuge mit 470 PS HPI Euro 3 Motoren mit 12-Gang-Schaltgetrieben, luftgefederten Kabinen und einem langen Radstand, der 12 Meter-Auflieger zulässt, d.h. für 40 Fuss Container geeignet ist.

 


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