Giezendanner setzt auf Haubenlenker – warum?
Ruedi Baumann
Unserer Leserschaft braucht man den Unterschied zwischen Hauben- und
Frontlenker nicht zu erklären. Wie es aber dazu gekommen ist, dass heute
Haubenlenker – also Lastwagen mit einer weit ausladenden Motorhaube – in Europa
praktisch aus dem Strassenbild verschwunden sind, kann trotzdem einen kurzen
Rückblick vertragen. Es hat mit der vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Gesamtlänge
von Fahrzeugen (inklusive Auflieger oder Anhänger) zu tun. Eigentlich ist sogar
der Platzbedarf für Chauffeur und allfällige Mitfahrer störend, von einer
Schlaf- oder Wohnkabine ganz zu schweigen. Denn alles, was die Nutzlast
beeinträchtigt, schmälert den Ertrag.
Daher setzten die Lastwagenkonstrukteure Fahrer und Beifahrer zunächst auf
pragmatische Art und Weise kurzerhand neben den Motor – unter teilweise
abenteuerlichen Arbeitsbedingungen für die Chauffeure. Dieselbe Entwicklung
machten auch Autobusse durch, denn dort war der Platzgewinn durch den Wegfall
der Motorhaube (auch wieder begründet durch die vorgegeben Achsabstände und
Gesamtlänge des Fahrzeugs) noch gravierender.
In der Neuzeit sind Lastwagen im Frontbereich immer höher geworden. Einerseits
infolge des gestiegenen Platzbedarfes der immer stärkeren und demzufolge
grösseren Motoren, anderseits durch Komfortansprüche der Fahrer. Zudem geschieht
es bei bestimmten Transportaufgaben gar nicht selten, dass der Chauffeur zum
Ein- und Aussteigen die Kabinentüre auf der Fahrerseite infolge einer Rampe oder
Hauswand nicht öffnen kann. Bei den frühen Frontlenkern bedeutete das jeweils
eine lästige Kletterpartie über die innenliegende Motorhaube zur
gegenüberliegenden Türe. Aufgeschrammte Schienbeine gehörten daher zu den noch
harmloseren Begleiterscheinungen.
Bei Haubenlenkern musste man lediglich darauf achten, beim Hinüberklettern zur
gegenüberliegenden Fahrzeugseite nicht mit Schalthebel und Handbremse in
Konflikt zu geraten. Die heutigen, hochliegenden Fahrerhäuser bei Frontlenkern
erlauben zwar ein relativ müheloses Hinüberklettern - sofern nicht die Armaturen
im Halbkreis um den Fahrersitz angeordnet sind. Denn hier drohen abgebrochene
Bedienungselemente oder sogar versehentlich aktivierte Aggregate.
Aber die ausladenden Motorhauben der frühen Lastwagen boten andere Vorteile.
Vorteile, die leider, siehe oben, mit der Renditenberechnung kollidierten. Die
Übersicht, so paradox es klingen mag, ist beim Manövrieren mit Haubenlenkern
besser, auch das genaue Abschätzen der Fahrzeugbreite erfolgt präziser. Zudem
kann der Fahrer bei einem Haubenlenker, sofern die Rückspiegel auf den
Kotflügeln montiert sind oder sonstwie im direkten Sichtfeld des Fahrers liegen,
das Geschehen seitlich und hinter dem Fahrzeug beobachten, ohne den Kopf
seitwärts drehen zu müssen.
Infolge des menschlichen Sichtwinkels konnte er dabei gleichzeitig den Verkehr
vor seinem Fahrzeug im Auge behalten. Beim Frontlenker ging das nicht mehr. Zum
Beobachten der dem Lenkrad gegenüberliegenden Fahrzeugseite muss er zwangsläufig
den Kopf drehen. Auch aus Gründen der Sicherheit bei Unfällen bevorzugten viele
Chauffeure die alten Haubenlenker, denn das solide Schwergewicht des
Dieselmotors, das ausladende Chassis und die im Gegensatz zu Frontlenkern
entscheidende Meter weiter vorne befindliche Vorderachse erwiesen sich dank
ihrer Funktion als Auffangelemente lebensrettend.
Swissmotor fragte den Seniorchef der Giezendanner AG, Nationalrat (SVP) Ulrich
Giezendanner persönlich und wollte von ihm erfahren, warum sein logischerweise
ebenfalls auf Rentabilität ausgerichtetes Unternehmen neuerdings „unrentable“
Haubenlenker beschafft. Der Vollprofi Giezendanner antwortete wie vom Verfasser
erwartet: „Aus Gründen der Sicherheit! Wir transportieren mit unseren
Haubenlenkern grösstenteils Chemieauflieger. Unser Kunde forderte von uns als
Transportunternehmung grösstmögliche Sicherheit für den Transport seiner
Produkte. Aber auch unsere Chauffeure sind sich der zusätzlichen Sicherheit von
Haubenlenkern bewusst – und ziehen diese vielfach den Frontlenkern vor.“
Giezendanner erwähnte noch nebenbei die Eigenschaft des erleichterten
„Hinüberkletterns“ auf die Mitfahrerseite, weil bei seinen Transportabläufen
öfters ein Ein- und Aussteigen auf der Fahrerseite erschwert oder unmöglich sei.
Kurzes Firmenportrait
Die Firma Giezendanner Transport AG wurde von Ulrich Giezendanner sen. im
Jahre 1934 als eigentliche Handelsfirma gegründet. Bereits 1936 wurde der erste
Lastwagen angeschafft. 1972 übernahm der heutige Inhaber der Firmengruppe,
Ulrich Giezendanner, das Unternehmen und 1976 wurde die Transportfirma in eine
Aktiengesellschaft umgewandelt.
Im Sinne einer weitsichtigen Entscheidung beschloss das Unternehmen Giezendanner
bereits im Jahre 1984 auf kombinierten Verkehr umzusteigen. Erste Tank- und
Silocontainer sowie sogenannte Wechselbrücken (WB) wurden beschafft und in der
Folge wurde konsequent mehrheitlich in den kombinierten Verkehr investiert.
Heute gehören der Transport von flüssigen und festen Gütern, speziell im Chemie-
und Lebensmittelbereich aber auch Lagerung und Kommissionierung zum aktuellen
Angebot. Dass die Giezendanner Transport AG ISO-zertifiziert ist versteht sich
von selbst. Im Hinblick auf eine aktuelle Anpassung auf die sich rasch
verändernden wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen, schloss sich
das Unternehmen 1999 mit der Firma Lagerhäuser Aarau zusammen.
Der Entscheid, sich im Silo- und Tankbereich zu vergrössern, führte nach
sorgfältiger Evaluation durch Stefan Giezendanner und fachlicher Beratung durch
Marcel Hofer (Bereich Technik) zum Kauf der fünf zusätzlichen Scania
Haubenfahrzeuge. In der künftigen Zweimarken-Strategie des Unternehmens stellt
Scania mit rund 20 Fahrzeugen einen respektablen Anteil dar. Ein Fahrzeugwechsel
findet normalerweise etwa nach einer Million Kilometern statt. Dass dabei viele
Pumpen- und Kompressorstunden für die Motoren zusätzlich anfallen, spricht für
deren Standfestigkeit.
Wie Stefan Giezendanner erwähnt, sind die Scania-„Hauber“ ein Traum der
Chauffeure, aber auch punkto Sicherheit und nicht zuletzt Gewichtsverteilung
stellen sie eine optimale Lösung dar. Gerade aus sicherheitstechnischen Aspekten
wird auch von Auftraggebern aus der Chemie vermehrt der Wunsch nach
Haubenfahrzeugen geäussert. Den Entscheid für Scania habe nicht nur ein gutes
Preis/Leistungsverhältnis gesprochen, so Stefan Giezendanner, sondern auch die
bisherigen mit dieser Marke gemachten positiven Erfahrungen.
Bei den fünf Scania Haubenlenkern handelt es sich um Fahrzeuge mit
470 PS HPI Euro 3 Motoren mit 12-Gang-Schaltgetrieben,
luftgefederten Kabinen und einem langen Radstand, der 12
Meter-Auflieger zulässt, d.h. für 40 Fuss Container geeignet ist. |
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