Zürich: Dolder-Zahnradbahn „runderneuert“

Text und Bilder Ruedi Baumann

BPZ / Nach rund 30jähriger Betriebsdauer durchläuft die vom Römerhof auf den Adlisberg führende, 1,3 Kilometer lange Dolder-Zahnradbahn eine umfassende Renovation. Ein Ersatzbusbetrieb übernahm seit Ende August die Personenbeförderung. Ab 11. Dezember dürfen, wenn alles planmässig verläuft, die Passagiere den Berg zum Naherholungsgebiet wieder „Zahn um Zahn“ erklimmen. Die Gesamtkosten der Sanierung belaufen sich auf sechs Millionen Franken.

Die Sache mit der Zahnstange

Anwohner und Bahnbenützer werden von der umfassenden Erneuerung mehrheitlich zu spüren bekommen, dass der Lauf der Triebwagen sowohl im Innen- wie im Aussenbereich ruhig geworden ist. Die Renovationsarbeiten betreffen zur Hauptsache die Gleisanlage, deren unmittelbares Umfeld, sowie die Stationsanlagen.

Nach der (neuen) Konzessionsvergabe im Jahre 1971 erfolgte 1973 eine Verlängerung der Bergbahn um rund einen halben Kilometer bis in unmittelbare Nähe der Dolder-Sportanlagen. Und aus Praxisgründen der Umbau von einer Standseilbahn zur Zahnradbahn. Dabei kam eine Einlamellenzahnstange System Strub zur Anwendung. Dies jedoch erstmals mit einer von der Firma Von Roll hergestellten, unterschiedlichen Lamellenbreite. In den flacheren Trasseeabschnitten war die Zahnstange sehr schmal, in den steilen Sektionen breit. Die seinerzeitige Auslegung der zu beherrschenden Kräfte und der Abnützung Zahnrad/Zahnstange erstreckte sich vorwiegend auf die Bergfahrt.

Neu definierte Sicherheitsbestimmungen für Bergbahnen verlangen nun jedoch dieselben Kriterien für die Talfahrt, weil bei einer Zwangsbremsung (Überschreiten der erlaubten Geschwindigkeit, Notbremse u.a.) dieselben Verzögerungskräfte sowohl in flachen wie in steilen Abschnitten auf die Zahnstange wirken. Aus Kostengründen hätte der Gleisbauer die bestehende Zahnstange, deren Lamellen logischerweise nur eine talseitige Abnützung aufwiesen, einfach „wenden“ können. Infolge der modifizierten Sicherheitsvorschriften musste eine vollkommen neue Zahnstange mit durchgehender Lamellen-breite eingebaut werden.

Neuartige Weichen

Weil der Gleiskörper, beziehungsweise der ganze Oberbau hochgradig sanierungsbedürftig war, machten die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ), welche die Geschäfts- und Betriebsführung der Dolderbahn AG seit 1999 innehaben, gleich Nägel mit Köpfen und führten eine Totalerneuerung inklusive Fahrleitung durch.

Und wiederum wurde technisches Neuland betreten: Die beiden Weichen zum doppelspurigen Kreuzungsabschnitt (Zweiwagenbetrieb) waren zuvor nach dem Prinzip der Federzungenweichen ausgeführt. Eine höchst komplizierte Angelegenheit bei Zahnradbahnen, die zudem extrem viel Wartung erfordert. Eine erstmals bei den Rigi Bahnen AG angewendete Weichenkonstruktion gelangte nun auch bei der Dolderbahn zum Einbau. Bei dieser neuartigen Konstruktion verschiebt sich zwar der gesamte Gleiskörper nach dem uralten Prinzip der „Schiebebühnenweiche“ seitwärts, aber im Unterschied zum System der Zahnradbahn-Gründerjahre mit einer progressiven seitlichen Verbiegung von Gleis und Zahnstange auf einer Länge von 15 Metern. Der Antrieb der Schiebebühne erfolgt elektro-hydraulisch, das Umlegen dauert sieben Sekunden und ist relativ lautlos. Ebenfalls ins Kapitel ‚Lärmdämmung’ gehört der Einbau einer zusätzlichen, elastischen Trennschicht zwischen Zahnstange und Befestigungssattel.

Triebwagendesign wie gehabt

Von der „Runderneuerung“ der Bahn haben die beiden Triebwagen am wenigsten sichtbares profitiert. Äusseres und inneres Aussehen ist gleich geblieben, wenn man von einem vollständigen Neuanstrich absieht. Lediglich die Führerstände, vom Fahrpersonal stets als zu knapp bemessen beanstandet, konnten infolge diverser Anpassungen acht Zentimeter Tiefe zulegen.

Das Stufenschaltrad erfuhr bezüglich Anstellwinkel und Höhe eine praxisgerechte Änderung. Natürlich ist die gesamte Mechanik und Elektrik überholt worden. Der Zürcher Verkehrsverbund ZVV setzte hier jedoch die Kostenbremse an und verlangte lediglich eine „Restlebensdauer“ der Triebwagen von (theoretisch) zehn Jahren.

Die in Einschnitten und offenen Waldlichtungen verlaufende Dolderbahn neigt in nebligen Winternächten zu starker Vereisung der Fahrleitung. Hochalpine Zahnradbahnen benützen deshalb zwei Stromabnehmer, wobei der erste lediglich die Funktion eines „Eiskratzers“ wahrnimmt. Die Dolderbahntriebwagen haben jedoch nur einen Stromabnehmer. Beim seinerzeitigen Umbau zur Zahnradbahn installierte die Betreibergesellschaft eine nächtliche „Fahrdrahtheizung“ vermittels eines fliessenden Stromes. Die Vorrichtung bewährte sich nur bedingt und wurde schon vor Jahren stillgelegt.

Wie der Betriebschef der Dolderbahn AG, Heinz Reichlin (VBZ) erklärte, sind nun die Triebwagenführer angewiesen, bei der ersten Bergfahrt am frühen Morgen bei vereister Fahrleitung mit möglichst geringer Stromaufnahme zu fahren, also auch ohne elektrische Wagenheizung. Damit wird das „Feuern“ der Stromabnehmer und das in weitem Umkreis hörbare Knistern, beziehungsweise der Abbrand an den neuen Fahrdrähten möglichst gering gehalten.

Zukunft gesichert – aber…

Die für 50 Jahre erteilte Betriebskonzession der Dolderbahn läuft 2021 aus, was natürlich nicht heissen soll, die rund eine Million Fahrgäste pro Jahr müssten danach zu Fuss die 162 Meter Höhendifferenz vom Römerhof zur Kunsteisbahn, den Sportanlagen und dem Naherholungsgebiet Adlisberg erklimmen. Eine Neukonzession könnte jedoch, entsprechend den künftigen Bedürfnissen und dem Stand der Technik wieder diverse Änderungen umfassen.

Nähere Informationen zum Zahnstangenweiche Rigi-VTW 2000 finden Sie unter http://www.rigi.ch/website/deutsch/aktuell/news/news_weiche_d.html


Mühsame Angelegenheit. Gleisbaumaschinen sind im steilen Gelände der Zahnradbahn nur bedingt einsetzbar. Die meisten Arbeiten müssen wie vor hundert Jahren per Muskelkraft erfolgen.


Abenteuerliche Arbeitsmethode: Die Schotter-Krampmaschine wird per Seilwinde dem Gleiskörper entlang hochgezogen. Man beachte die Verankerungen.


Kaum zu glauben, aber diese Gleise und Zahnstange lassen sich im Weichenbereich auf 15 Meter Länge seitlich verbiegen. Gut sichtbar die hydraulisch angetriebene Schiebebühne.


Die jetzige Zahnstange weist in Unterschied zur vorherigen Lamellenzahnstange dieselbe massive Breite auf der gesamten Bahnstrecke auf.


Die vordem allzu knapp bemessenen Führerstände haben geringfügig an Tiefe zugelegt – aber das Stufenschaltrad ist nun praxisgerechter angeordnet.


Die beiden Zahnrad-Triebwagen durchliefen in der VBZ-Zentralwerkstätte eine umfassende Revision. Am „Design“ wurde aus Kostengründen nichts verändert.


Das bergseitige Bremszahnrad. Die beiden Führungsscheiben links und rechts des Zahnrades sind eine zusätzliche Entgleisungssicherheit. Rechts vom Zahnrad die beiden Bandbremsen.

 


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