Grösser geht’s nimmer
Ruedi Baumann
Alles an diesem Truck sind Begriffe der Superlative, angefangen bei den
Reifen, über Motor, Getriebe, Achsen, Hydraulik, Höhe und Breite. So wiegt
beispielsweise allein ein einzelnes Rad mit Felge neun Tonnen, wodurch sich
die berechtigte Frage stellt, wie zum Kuckuck man an so einem Brocken einen
simplen Radwechsel vollzieht. Bereits die Radmuttern müssten eigentlich,
verglichen mit dem Reifenumfang, grösser als ein Mensch sein. Dass diese
Annahme nicht zutreffend ist, zeigt unser Bild anlässlich der Montage in
Decatur, Illinois: Anstelle von riesigen Schrauben und Muttern vervielfachte
das Herstellerwerk in Illinois auf die wohl praxisnächste Art und Weise
einfach die Zahl der Befestigungsschrauben..! Wie uns der Schweizer
CAT-Generalimporteur, Caterpillar-Avesco in Langenthal erklärte, ist jedoch
eine spezielle, auf Superlativ-Grösse zugeschnittene Infrastruktur zur
Wartung und Reparatur derartiger Riesenmaschinen in den betreffenden
Einsatzgebieten eiserne Voraussetzung. Meist sind daher nicht
Einzelexemplare, sondern mehrere Maschinen am selben Ort eingesetzt.
Bemerkenswerte Daten
Caterpillar ist nicht die einzige Firma auf dieser Welt, die solche Ungetüme
herstellt. Sogar Liebherr (Deutschland/Bulle CH) baut u.a. derartige
Riesendinger. Allerdings ist Caterpillar bezüglich Kraftübertragung bei der
konventionellen Methode – Motor-Automatengetriebe-Achsen – geblieben,
wogegen die Konkurrenz schon vor einiger Zeit den dieselelektrischen Weg
(teilweise mit Elektro-Radnabenmotoren) wählte. Das CAT-Powershiftgetriebe
mit sieben Vorwärtsgängen plus Retourgang ist das weltgrösste, serienmässige
Automatengetriebe. Der Oelinhalt beträgt denn auch stolze 629 Liter. Bei
einem derartigen „Dinosaurier“ interessiert logischerweise die
Motorleistung: Der V-24-CAT 3524B-Diesel leistet 3211 PS und verleiht dem
Fahrzeug eine Maximalgeschwindigkeit von 64 km/h. Der Dieseltank fasst rund
viertausend Liter. Für einen Oelwechsel sind 417 Liter fällig und bei einem
allfälligen Kühlerleck fliessen 1194 Liter Wasser ins Freie. Ziemlich viele
volle Giesskannen also. Die Mühe und Schweiss bei der Erklimmung der
unzähligen Treppenstufen bis hoch zum Kühlwasserstutzen nicht eingerechnet.
Nebenbei bemerkt, auch die Höhe der Kippmulde ergibt einen knapp
vorstellbaren Wert: aufgekippt erreicht sie über 15 Meter!
|
Der grösste Muldenkipper der Welt! Als Grössenvergleich mag der Chevrolet
Blazer dienen. Oder die normalgrossen Scheinwerfer. Oder man zähle die
Treppenstufen zum Fahrerhaus… |
Blick in die Caterpillar-Montagehalle in Decatur, Illinois. Beachtenswert
die Zahl der Radschrauben. |
Schwachstelle der Dinos
Dass der CAT 797 der weltgrösste Muldenkipper seiner Art ist, hat indessen
überraschenderweise nichts mit der Konstruktion an sich, sondern mit den
Gummireifen zu tun. Noch grössere Maschinen könnte man nämlich bauen.
Grössere Reifen dagegen gibt es nicht. Angesichts der Stückzahl von jährlich
abzusetzenden Reifen verständlich; noch eine Reifennummer grösser würde ein
komplettes neues Herstellungswerk voraussetzen. Offenbar sind aber gerade
die Reifen (Michelin Niederquerschnitt 55/80 R63“ = 75'000 Franken) die
eigentliche „Schwachstelle“ bei diesen Kippern. Weil die Ladung mehr oder
weniger in Fahrzeugmitte ruht, werden die gelenkten Vorderräder in
Gegensatz zu den hinteren Zwillingsreifen ungleich stärker beansprucht.
Zwillingsreifen auch vorne (wie bei älteren Militärfahrzeugen amerikanischer
Herkunft oder heutiger Schräghang-Geräteträger machbar) würde die
Gesamtkonzeption der Maschine zu sehr stören.
|
Tristes Chauffeurdasein
Das Fahren mit einem derartigen Ungetüm ist einfacher als es scheint. Zumal
die Einsatzgebiete wie Oelsandminen, Kupferminen etc. - von vereinzelten
Ausnahmen abgesehen - diesen Fahrzeugen absolute Priorität einräumen.
Klimatisierte, schallisolierte Fahrerkabinen, Automatengetriebe,
„schwimmende“ Sitze, Rückfahrkameras und riesige Aussenspiegel ergeben einen
erstaunlichen Fahrkomfort. Eigentlich sind die Ansprüche an die jeweiligen
Fahrer oder Fahrerinnen(!) eher gering – und die Gegend, wo sie tagein,
tagaus mit diesen Maschinen unterwegs sind, meist mehr als unwirtlich. Das
stete „Pendeln“ zwischen Bagger und Deponie zählt zudem kaum zu
abwechslungsreichen Tätigkeiten.
|
Obwohl dieser transportierte Dumper (Wiseda KL-2450) „nur“ 200 Tonnen
Nutzlast aufweist, wirkt er gigantisch. Bei dieser Maschine erfolgt die
Kraftübertragung dieselelektrisch.
|
Schweiz?
Auch in der Schweiz sind solche CAT-Muldenkipper im Einsatz, wenn auch nicht
in der obgenannten Grössenordnung. „Big Iron“ bei Holcim in Siggenthal ist
die grösste Maschine hierzulande, weitere Dumper stehen in Eclebens,
Untervaz und dem Granitsteinbruch in Cavigliano im Einsatz. Wegen ihrer noch
immer respektablen Grösse konnten diese Maschinen erst am Einsatzort aus
Einzelteilen zu einer Fahreinheit zusammengeschweisst werden. Weil sie
lediglich im Grubenareal verkehren, bleiben sie dem Auge des Publikums meist
verborgen. Bei Holcim in Untervaz ist der 777D mit Partikelfilter
ausgerüstet. Dies ist weltweit die grösste „mobile“ Anwendung.
Bis heute wurden bei Caterpillar rund 150 Exemplare des „Dinosauriers“ CAT
797 gebaut. Anschaffungspreis pro Exemplar: zwischen vier und fünf Millionen
Schweizerfranken.
|