Grösser geht’s nimmer

Ruedi Baumann

BPZ / Er nennt sich ganz profan „CAT Mining-Truck 797“ und ist der derzeit grösste Kipper der Welt. Wie gross der Dumper tatsächlich ist, sieht man nur im Grössenvergleich mit einem dem Betrachterauge bekannten Objekt. Oder an den zahlreichen Leitern, welche zur Fahrerkabine hinaufführen. Auch die geradezu winzigen Scheinwerfer in Normalausführung können als „Grössenmassstab“ herhalten. Das Ladevermögen beträgt 330 Kubikmeter, was einem Zuladungsgewicht von unglaublichen 700 Tonnen entspricht. Hinzu kommt ein Leergewicht von etwas über 200 Tonnen.

Alles an diesem Truck sind Begriffe der Superlative, angefangen bei den Reifen, über Motor, Getriebe, Achsen, Hydraulik, Höhe und Breite. So wiegt beispielsweise allein ein einzelnes Rad mit Felge neun Tonnen, wodurch sich die berechtigte Frage stellt, wie zum Kuckuck man an so einem Brocken einen simplen Radwechsel vollzieht. Bereits die Radmuttern müssten eigentlich, verglichen mit dem Reifenumfang, grösser als ein Mensch sein. Dass diese Annahme nicht zutreffend ist, zeigt unser Bild anlässlich der Montage in Decatur, Illinois: Anstelle von riesigen Schrauben und Muttern vervielfachte das Herstellerwerk in Illinois auf die wohl praxisnächste Art und Weise einfach die Zahl der Befestigungsschrauben..! Wie uns der Schweizer CAT-Generalimporteur, Caterpillar-Avesco in Langenthal erklärte, ist jedoch eine spezielle, auf Superlativ-Grösse zugeschnittene Infrastruktur zur Wartung und Reparatur derartiger Riesenmaschinen in den betreffenden Einsatzgebieten eiserne Voraussetzung. Meist sind daher nicht Einzelexemplare, sondern mehrere Maschinen am selben Ort eingesetzt.

Bemerkenswerte Daten

Caterpillar ist nicht die einzige Firma auf dieser Welt, die solche Ungetüme herstellt. Sogar Liebherr (Deutschland/Bulle CH) baut u.a. derartige Riesendinger. Allerdings ist Caterpillar bezüglich Kraftübertragung bei der konventionellen Methode – Motor-Automatengetriebe-Achsen – geblieben, wogegen die Konkurrenz schon vor einiger Zeit den dieselelektrischen Weg (teilweise mit Elektro-Radnabenmotoren) wählte. Das CAT-Powershiftgetriebe mit sieben Vorwärtsgängen plus Retourgang ist das weltgrösste, serienmässige Automatengetriebe. Der Oelinhalt beträgt denn auch stolze 629 Liter. Bei einem derartigen „Dinosaurier“ interessiert logischerweise die Motorleistung: Der V-24-CAT 3524B-Diesel leistet 3211 PS und verleiht dem Fahrzeug eine Maximalgeschwindigkeit von 64 km/h. Der Dieseltank fasst rund viertausend Liter. Für einen Oelwechsel sind 417 Liter fällig und bei einem allfälligen Kühlerleck fliessen 1194 Liter Wasser ins Freie. Ziemlich viele volle Giesskannen also. Die Mühe und Schweiss bei der Erklimmung der unzähligen Treppenstufen bis hoch zum Kühlwasserstutzen nicht eingerechnet. Nebenbei bemerkt, auch die Höhe der Kippmulde ergibt einen knapp vorstellbaren Wert: aufgekippt erreicht sie über 15 Meter!


Der grösste Muldenkipper der Welt! Als Grössenvergleich mag der Chevrolet Blazer dienen. Oder die normalgrossen Scheinwerfer. Oder man zähle die Treppenstufen zum Fahrerhaus…


Blick in die Caterpillar-Montagehalle in Decatur, Illinois. Beachtenswert die Zahl der Radschrauben.

  
Schwachstelle der Dinos

Dass der CAT 797 der weltgrösste Muldenkipper seiner Art ist, hat indessen überraschenderweise nichts mit der Konstruktion an sich, sondern mit den Gummireifen zu tun. Noch grössere Maschinen könnte man nämlich bauen. Grössere Reifen dagegen gibt es nicht. Angesichts der Stückzahl von jährlich abzusetzenden Reifen verständlich; noch eine Reifennummer grösser würde ein komplettes neues Herstellungswerk voraussetzen. Offenbar sind aber gerade die Reifen (Michelin Niederquerschnitt 55/80 R63“ = 75'000 Franken) die eigentliche „Schwachstelle“ bei diesen Kippern. Weil die Ladung mehr oder weniger in Fahrzeugmitte ruht, werden die gelenkten Vorderräder in Gegensatz zu den hinteren Zwillingsreifen ungleich stärker beansprucht. Zwillingsreifen auch vorne (wie bei älteren Militärfahrzeugen amerikanischer Herkunft oder heutiger Schräghang-Geräteträger machbar) würde die Gesamtkonzeption der Maschine zu sehr stören.

Tristes Chauffeurdasein

Das Fahren mit einem derartigen Ungetüm ist einfacher als es scheint. Zumal die Einsatzgebiete wie Oelsandminen, Kupferminen etc. - von vereinzelten Ausnahmen abgesehen - diesen Fahrzeugen absolute Priorität einräumen. Klimatisierte, schallisolierte Fahrerkabinen, Automatengetriebe, „schwimmende“ Sitze, Rückfahrkameras und riesige Aussenspiegel ergeben einen erstaunlichen Fahrkomfort. Eigentlich sind die Ansprüche an die jeweiligen Fahrer oder Fahrerinnen(!) eher gering – und die Gegend, wo sie tagein, tagaus mit diesen Maschinen unterwegs sind, meist mehr als unwirtlich. Das stete „Pendeln“ zwischen Bagger und Deponie zählt zudem kaum zu abwechslungsreichen Tätigkeiten.


Obwohl dieser transportierte Dumper (Wiseda KL-2450) „nur“ 200 Tonnen Nutzlast aufweist, wirkt er gigantisch. Bei dieser Maschine erfolgt die Kraftübertragung dieselelektrisch.  

Schweiz?

Auch in der Schweiz sind solche CAT-Muldenkipper im Einsatz, wenn auch nicht in der obgenannten Grössenordnung. „Big Iron“ bei Holcim in Siggenthal ist die grösste Maschine hierzulande, weitere Dumper stehen in Eclebens, Untervaz und dem Granitsteinbruch in Cavigliano im Einsatz. Wegen ihrer noch immer respektablen Grösse konnten diese Maschinen erst am Einsatzort aus Einzelteilen zu einer Fahreinheit zusammengeschweisst werden. Weil sie lediglich im Grubenareal verkehren, bleiben sie dem Auge des Publikums meist verborgen. Bei Holcim in Untervaz ist der 777D mit Partikelfilter ausgerüstet. Dies ist weltweit die grösste „mobile“ Anwendung. Bis heute wurden bei Caterpillar rund 150 Exemplare des „Dinosauriers“ CAT 797 gebaut. Anschaffungspreis pro Exemplar: zwischen vier und fünf Millionen Schweizerfranken.

  

 


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