Der dünn besiedelte Flächenstaat
Schweden, besonders der wilde Norden dieses Landes, stellt für
Geländefahrzeuge eine enorme Herausforderung dar. Schnee bis zum Gehtnichtmehr
im Winter und schier bodenlose Sümpfe im Sommer bringen selbst
hochspezialisierte Allradfahrzeuge an ihre physikalischen Grenzen.
Kein Wunder, dass genau von dort ein Fahrzeug stammt, das sich auch
unter härtesten Bedingungen seinen Weg zu bannen vermag. Im
nordschwedischen Örnsköldsvik baut der Fahrzeughersteller
Hägglunds den aussergewöhnlichen Geländetransporter BV 206, der
sich schon vieltausendfach bei zivilen und militärischen Anwendern
bewährt hat.
Eigentlich handelt es sich nicht nur um ein einziges Vehikel,
sondern um ein ganzes Gespann, mit einem Vorder- und einem
Hinterwagen. Der Grundaufbau besteht aus selbsttragenden und mit
Glasfiber verstärkten Kunststoffkarosserien mit Tragrahmen und
angeschraubten Kettenlaufwerken. Die vier Antriebseinheiten bringen
die Kraft des Motors mit Laufbändern auf den Boden, die aus mit
Cordeinlagen verstärktem Kunststoff gefertigt sind. Jede Kette,
wenn man das Laufwerk noch so nennen mag, bedeckt mit über 60 mal
180 Zentimeter Fläche den Boden, so dass der Hägglunds sich mit
gesamt rund 4,5 Quadratmeter Aufstandsfläche auf dem Untergrund
abstützt. Damit sinkt er zum Beispiel auf Schnee weit weniger tief
ein als ein daneben stehender Mensch. Und das, obwohl ein leerer
Hägglunds schon fast viereinhalb Tonnen, ein beladener fast
sechseinhalb Tonnen wiegt.
Nebenbei gesagt ist das Vehikel auch noch schwimmfähig, zwar nur in
langsamem Tempo, aber dank einer serienmäßigen Lenzpumpe selbst in
aufgewühlten Gewässern.
Der Fahrerplatz ist auf das minimal Erforderliche an Bedienelementen
und Anzeigen beschränkt, was das Zurechtfinden in einem so
ungewöhnlichen Fahrzeug leichter als erwartet macht. Eigentlich
sind am Fahrerplatz kaum Unterschiede zu einem normalen
Personenwagen auszumachen, ausser dass man eben sehr weit vorne
sitzt.
Der Gangwählhebel entspricht dem eines
Grossserien-Automatikgetriebes, und fast ebenso einfach wie bei
einem solchen ist es, den Hägglunds in Bewegung zu setzen. Fast
alle Kettenfahrzeuge sind ja etwas ruppig bezüglich ihrer Lenkung,
welche üblicherweise durch das Abbremsen der jeweils
aussenliegenden Laufkette geschieht.
Ganz anders der Hägglunds, dessen Lenktechnik in Form von
Hydraulikzylindern zwischen Vorder- und Hinterwagen sitzt. Ähnlich
einem Schaufellader oder einem Baustellendumper werden die
Richtungswechsel über eine Knicklenkung gesteuert, weich und ohne
Rucken geschieht das bei diesem Fahrzeug.
Das macht das Fahren nicht nur leichter, sondern auch effektiver.
Das Drehmoment liegt somit permanent an den vier Gummiketten an, so
dass selbst auf rutschigstem Untergrund der Vorwärtsdrang
ununterbrochen ist. Um dem Antrieb innere Verspannungen auf festem
Boden zu ersparen, werden die unterschiedlichen Drehungen der
Kettenpaare von Differentialen ausgeglichen.
Im Innenraum mit hohem Geräuschpegel, aber sonst ganz
unspektakulär beginnt die Fahrt auf einer trockenen Asphaltstraße.
Die entgegenkommenden Pkw-Lenker schauen zwar etwas verblüfft, doch
eine ordentliche Straßenzulassung erlaubt dem Hägglunds auch das
Befahren öffentlicher Wege. Nur die Autobahnen sind bei einer
Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h tabu.
Doch das ist ohnehin nicht das Terrain, für das ein solches
Fahrzeug gedacht ist, schnell biege ich ab in den fränkischen Wald,
der am Tag unserer Probefahrt von einer dicken Schicht Schnee
bedeckt ist. Als echter Schwede ist das Fahrzeug auf Temperaturen
bis zu minus 40 Grad ausgelegt, auch der Hinterwagen wird mit einem
Wasserkreislauf beheizt.
Bald ist die von Holztransportern vorgelegte Spur zu Ende,
übergangslos frisst sich der Hägglunds in den tiefen Pulverschnee.
Das ist das Element, in dem der Knicklenker auftrumpft, mit
unvermindertem Tempo werden selbst hohe Schneewehen überwunden. Im
Testwagen arbeitet ein klassischer Ford-V6-Zylinder aus der
Grossserie, in der Anschaffung die günstigste Variante.
Mehr als mindestens doppelt so teuer, dafür für Vielnutzer aber
auch wesentlich wirtschaftlicher ist die Version mit einem modernen
Diesel-Direkteinspritzer von Mercedes.
Weitere verfügbare Extras sind Sitze für bis zu 17 Passagiere (!),
Differentialsperren, Winden, Schalldämmung, Spurverbreiterung,
Eiskrallen zum Unterschnallen, Kipper, Ladewechsler, der Fantasie
sind da bei der Spezifizierung kaum Grenzen gesetzt.
Jetzt nähere ich mich auf Waldwegen einer Steigung, die am Tag
zuvor mit einem gut bereiften Unimog gerade noch so geschafft worden
war. Für den Hägglunds ist das kein Hindernis, locker pflügen
sich die viereinhalb Tonnen durch die dick verschneite Landschaft,
nur der Motor hört sich am Berg ein wenig angestrengter an.
Schon haben einige Kunden die Vorteile einer solchen Anschaffung
erkannt. Von den Hellgeths wurden schon Hägglunds an eine
isländische Gletscher-Rettungstruppe und an österreichische
Hoteliers verkauft, die damit vom Getränkegroßmarkt in der Stadt
bis zur Almhütte durchfahren können. Aber auch auf den Deichen der
Elbe während der großen Flut im vergangenen Sommer haben die
schwedischen Kletterkünstler bewiesen, dass sie in extremen
Situationen unvergleichliche Geländegänger sind.
Ein neuer Hägglunds ist keine billige Anschaffung, doch wer die
extreme Geländegängigkeit der Kettenknicklenker unbedingt sein
eigen nennen möchte, hat jetzt eine Alternative: In der Nähe der
nordbayrischen Stadt Kronach, aber schon auf thüringischem Boden
ansässig, importiert der Spezialfahrzeugbauer Hellgeth (www.hellgeth.de
Tel. +49 36652 35365) gebrauchte Hägglunds und richtet sie nach den
Wünschen der Kunden her. |
Einen verschneiten Holzstapel muss man mit diesem Kettenfahrzeug
nicht als ernsthaftes Hindernis betrachten
Das Knickgelenk erlaubt große Winkel zwischen Vorder- und
Hinterwagen und ist ein Meisterwerk der schwedischen Ingenieure.
Steile Bergabfahrten verlieren dank der großen Bodenhaftung ihren
Schrecken.
Mit ständigem Vortrieb wühlt sich der Hägglunds auch durch stark
konturierte Landschaft.
Bei dieser Version fasst der Hinterwagen 11, der Vorderwagen 5
Passagiere
Auch als schneller Waldläufer auf vereisten Wegen kommt der
Hägglunds schnell voran.
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