HÄGGLUNDS BV 206 
Hochgeländegängiger Kettenknicklenker

Text & Bilder: Felix Jacoby

Wo selbst extrem geländegängige Allradfahrzeuge jeglichen Vortrieb verlieren, ist der Hägglunds BV 206 erst richtig in seinem Element. Wir haben den schwedischen Kettenknicklenker im Schnee gefahren.

Der dünn besiedelte Flächenstaat Schweden, besonders der wilde Norden dieses Landes, stellt für Geländefahrzeuge eine enorme Herausforderung dar. Schnee bis zum Gehtnichtmehr im Winter und schier bodenlose Sümpfe im Sommer bringen selbst hochspezialisierte Allradfahrzeuge an ihre physikalischen Grenzen.

Kein Wunder, dass genau von dort ein Fahrzeug stammt, das sich auch unter härtesten Bedingungen seinen Weg zu bannen vermag. Im nordschwedischen Örnsköldsvik baut der Fahrzeughersteller Hägglunds den aussergewöhnlichen Geländetransporter BV 206, der sich schon vieltausendfach bei zivilen und militärischen Anwendern bewährt hat.

Eigentlich handelt es sich nicht nur um ein einziges Vehikel, sondern um ein ganzes Gespann, mit einem Vorder- und einem Hinterwagen. Der Grundaufbau besteht aus selbsttragenden und mit Glasfiber verstärkten Kunststoffkarosserien mit Tragrahmen und angeschraubten Kettenlaufwerken. Die vier Antriebseinheiten bringen die Kraft des Motors mit Laufbändern auf den Boden, die aus mit Cordeinlagen verstärktem Kunststoff gefertigt sind. Jede Kette, wenn man das Laufwerk noch so nennen mag, bedeckt mit über 60 mal 180 Zentimeter Fläche den Boden, so dass der Hägglunds sich mit gesamt rund 4,5 Quadratmeter Aufstandsfläche auf dem Untergrund abstützt. Damit sinkt er zum Beispiel auf Schnee weit weniger tief ein als ein daneben stehender Mensch. Und das, obwohl ein leerer Hägglunds schon fast viereinhalb Tonnen, ein beladener fast sechseinhalb Tonnen wiegt.

Nebenbei gesagt ist das Vehikel auch noch schwimmfähig, zwar nur in langsamem Tempo, aber dank einer serienmäßigen Lenzpumpe selbst in aufgewühlten Gewässern.

Der Fahrerplatz ist auf das minimal Erforderliche an Bedienelementen und Anzeigen beschränkt, was das Zurechtfinden in einem so ungewöhnlichen Fahrzeug leichter als erwartet macht. Eigentlich sind am Fahrerplatz kaum Unterschiede zu einem normalen Personenwagen auszumachen, ausser dass man eben sehr weit vorne sitzt.

Der Gangwählhebel entspricht dem eines Grossserien-Automatikgetriebes, und fast ebenso einfach wie bei einem solchen ist es, den Hägglunds in Bewegung zu setzen. Fast alle Kettenfahrzeuge sind ja etwas ruppig bezüglich ihrer Lenkung, welche üblicherweise durch das Abbremsen der jeweils aussenliegenden Laufkette geschieht.

Ganz anders der Hägglunds, dessen Lenktechnik in Form von Hydraulikzylindern zwischen Vorder- und Hinterwagen sitzt. Ähnlich einem Schaufellader oder einem Baustellendumper werden die Richtungswechsel über eine Knicklenkung gesteuert, weich und ohne Rucken geschieht das bei diesem Fahrzeug.

Das macht das Fahren nicht nur leichter, sondern auch effektiver. Das Drehmoment liegt somit permanent an den vier Gummiketten an, so dass selbst auf rutschigstem Untergrund der Vorwärtsdrang ununterbrochen ist. Um dem Antrieb innere Verspannungen auf festem Boden zu ersparen, werden die unterschiedlichen Drehungen der Kettenpaare von Differentialen ausgeglichen.

Im Innenraum mit hohem Geräuschpegel, aber sonst ganz unspektakulär beginnt die Fahrt auf einer trockenen Asphaltstraße. Die entgegenkommenden Pkw-Lenker schauen zwar etwas verblüfft, doch eine ordentliche Straßenzulassung erlaubt dem Hägglunds auch das Befahren öffentlicher Wege. Nur die Autobahnen sind bei einer Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h tabu.

Doch das ist ohnehin nicht das Terrain, für das ein solches Fahrzeug gedacht ist, schnell biege ich ab in den fränkischen Wald, der am Tag unserer Probefahrt von einer dicken Schicht Schnee bedeckt ist. Als echter Schwede ist das Fahrzeug auf Temperaturen bis zu minus 40 Grad ausgelegt, auch der Hinterwagen wird mit einem Wasserkreislauf beheizt.

Bald ist die von Holztransportern vorgelegte Spur zu Ende, übergangslos frisst sich der Hägglunds in den tiefen Pulverschnee. Das ist das Element, in dem der Knicklenker auftrumpft, mit unvermindertem Tempo werden selbst hohe Schneewehen überwunden. Im Testwagen arbeitet ein klassischer Ford-V6-Zylinder aus der Grossserie, in der Anschaffung die günstigste Variante.
Mehr als mindestens doppelt so teuer, dafür für Vielnutzer aber auch wesentlich wirtschaftlicher ist die Version mit einem modernen Diesel-Direkteinspritzer von Mercedes.
Weitere verfügbare Extras sind Sitze für bis zu 17 Passagiere (!), Differentialsperren, Winden, Schalldämmung, Spurverbreiterung, Eiskrallen zum Unterschnallen, Kipper, Ladewechsler, der Fantasie sind da bei der Spezifizierung kaum Grenzen gesetzt.

Jetzt nähere ich mich auf Waldwegen einer Steigung, die am Tag zuvor mit einem gut bereiften Unimog gerade noch so geschafft worden war. Für den Hägglunds ist das kein Hindernis, locker pflügen sich die viereinhalb Tonnen durch die dick verschneite Landschaft, nur der Motor hört sich am Berg ein wenig angestrengter an.

Schon haben einige Kunden die Vorteile einer solchen Anschaffung erkannt. Von den Hellgeths wurden schon Hägglunds an eine isländische Gletscher-Rettungstruppe und an österreichische Hoteliers verkauft, die damit vom Getränkegroßmarkt in der Stadt bis zur Almhütte durchfahren können. Aber auch auf den Deichen der Elbe während der großen Flut im vergangenen Sommer haben die schwedischen Kletterkünstler bewiesen, dass sie in extremen Situationen unvergleichliche Geländegänger sind.

Ein neuer Hägglunds ist keine billige Anschaffung, doch wer die extreme Geländegängigkeit der Kettenknicklenker unbedingt sein eigen nennen möchte, hat jetzt eine Alternative: In der Nähe der nordbayrischen Stadt Kronach, aber schon auf thüringischem Boden ansässig, importiert der Spezialfahrzeugbauer Hellgeth (www.hellgeth.de Tel. +49 36652 35365) gebrauchte Hägglunds und richtet sie nach den Wünschen der Kunden her.


Einen verschneiten Holzstapel muss man mit diesem Kettenfahrzeug nicht als ernsthaftes Hindernis betrachten


Das Knickgelenk erlaubt große Winkel zwischen Vorder- und Hinterwagen und ist ein Meisterwerk der schwedischen Ingenieure.


Steile Bergabfahrten verlieren dank der großen Bodenhaftung ihren Schrecken.


Mit ständigem Vortrieb wühlt sich der Hägglunds auch durch stark konturierte Landschaft.


Bei dieser Version fasst der Hinterwagen 11, der Vorderwagen 5 Passagiere


Auch als schneller Waldläufer auf vereisten Wegen kommt der Hägglunds schnell voran.


So machen Waldspazierfahrten Freude


Der Fahrerplatz stellt selbst Ungeübte vor keinerlei Geheimnisse.


Im tiefen Schnee würden die meisten Allradfahrzeuge einsinken. Nicht so der Hägglunds. Im Extremfall genügen dem Hägglunds acht Meter Wendekreis


Andreas und Jürgen Hellgeth haben sich schon als Unimogveredler einen Namen gemacht. Jürgen Hellgeth hat über diese Art der Knicklenkung seine Diplomarbeit als Ingenieur geschrieben.

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