Als die Bahn auf die Strasse ging

BPZ. Beim Betrachter galten die SBB-Strassentraktoren mit ihren wuchtigen Schnauzen, die auf extrem niedrig gebauten Tiefgang-Anhängern Eisenbahnwaggons zum Haus des Bahnkunden beförderten, als wahre Kraftprotze. Aber der Schein trog. Weil die Fahrgeschwindigkeit eine völlig nebensächliche Rolle spielte, der Anhänger mit seinen ungefederten Achsen (und anfänglich Vollgummirädern) ohnehin nur eine minimale Höchstgeschwindigkeit zuliess, waren Untersetzungsgetriebe wichtiger als Motorleistung (knapp 100 PS!).

Der erste Strassenrollerzug der SBB von 1938 war ein FBW-3-Achser mit Doppel-Hinterachse von Henschel. Die Vorderachse war nicht angetrieben.

Als Alternative beschafften die SBB im selben Jahr einen zweiachsigen Berna-Schlepper mit Allradantrieb. Die Höchstgeschwindigkeit betrug 44 km/h beziehungsweise 17,5 km/h in der Untersetzung.

Die unbefriedigende Bewährung der Henschel-Doppelachse führte zum Entschluss, künftig nur noch zweiachsige Fahrzeuge - jedoch mit Allradantrieb - anzuschaffen.

Differentialwellenbrüche, Getriebeschäden und Achswellenbrüche waren zwar nicht grad an der Tagesordnung, bewirkten dennoch wegen ihrer Häufigkeit während fast fünfzig Jahren immer stärkere Konstruktionen im Bereich der Kraftübertragung. Die SBB zeigten sich in der Folge der Schweizer-Lastwagenmarke FBW sehr zugetan (auch in Chauffeurkreisen galt der FBW als “Rolls Royce” unter den Lastwagen).

Im Februar 1972 beschloss die Generaldirektion der SBB aus wirtschaftlichen Gründen, den Strassenrollerdienst einzustellen. Private Unternehmer übernahmen sukzessive diese Aufgabe und führen sie noch heute durch. Sogar einzelne Roller der letzten Bauart sind noch in Betrieb. Geblieben ist die “Erkenntnis der ersten Stunde”, der Allradantrieb.

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FBW-Schlepper der "mittleren" Generation, Baujahr 1952. Das Fahrzeug links ist noch nicht ganz fertiggestellt

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Der FBW X50/70 als letzter Auftragstyp der SBB (1967) zeigte ein recht futurisches Aussehen.

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Nachfolger: Die wohl weltbeste Schwertransport-Zugmaschine war der Saurer 5DM 4x4, eine verstärkte Version des (derzeit ausrangierten) Schweizer Militärlastwagens 2DM/2VM mit druckluftunterstützter Getriebeschaltung.

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Die Uebernahme des Strassenrollerdienstes durch private Unternehmungen war fast zeitgleich begleitet vom Aussterben der heimischen
Lastwagenproduktion. Der Scania 113H 4x4 von Transportus Luzern war aber ein würdiger Nachfolger (hier beim Transport einer Mallet-Dampflok). 

 


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