KIA Sportage Fresh - Springinsfeld im Bikini

Text & Bilder: Ruedi Baumann

BPZ / Wir testeten den KIA Sportage im Laufe der Jahre schon einige Male. Zuerst als Benziner, dann mit Turbodiesel. Mit und ohne Automatengetriebe (‚ohne' heisst natürlich mit manueller Getriebeschaltung) und nun den neuen "Fresh" mit dem luftigen Bikini-Top.

Eines ist dem kleinen Koreaner geblieben: Noch immer wird er gewaltig unterschätzt! Kann sein, dass es an seinem spielzeughaften, trotzdem sehr eleganten Aussehen liegt, weil er gewissermassen zu "brav" daherkommt, oder wasweissich; jedenfalls erkennt man in ihm kaum einen währschaften Offroader. Aber er ist einer. Das konnten wir auch zu unserer Überraschung immer wieder feststellen. Zudem verfügt er - im Gegensatz zu andern "Fun-Offroadern" - über ein Reduktionsgetriebe mit spezieller Gelände-Untersetzung.

In bergigen Regionen trifft man den Sportage ziemlich oft als "Betriebsfahrzeug" örtlicher Garagisten und Kommunalbetriebe an, was durchaus eine deutliche Sprache spricht. Hinzu kommt natürlich sein Preis/Leistungsverhältnis von Fr. 27'850 netto (Sportage Fresh) bis Fr. 33'650 netto (Wagon mit Automat). Sympathisch: Der handgeschaltete Turbodiesel kostet gleich viel wie der Benziner-Automat. Dass je nach Einsatzart der Diesel frappant sparsamer ist, erwähnten wir schon mehrmals, dies trifft natürlich auch auf den KIA zu.

Zu fahren ist er ungefähr so, wie er aussieht. Frech, spritzig, nicht unbedingt leise, ziemlich straff gefedert - aber verdammt gutmütig. Im Prinzip ein Frauenauto. Zumal die Übersicht auf die Eckpunkte nicht übel ist. Vorteilhaft beim Einparken. Leider teilt er eine Unart mit vielen fernöstlichen Kollegen: die vorderen Sitze sind zu tief angeordnet. Offenbar haben die Konstrukteure in den Ländern der aufgehenden Sonne inzwischen kapiert, dass für den Export in den Westen grössere Beinfreiheit gefordert ist. Der Einfachheit halber rechneten sie einfach in der Gesamtkörpergrösse der westlichen Benutzer etliche Zentimeter hinzu (Kopffreiheit muss ja auch sein) und legten auch die Sitze tiefer. Der Verfasser kommt zu diesem Schluss, weil dieselben, von ihm in Fernost gefahrenen Wagen wesentlich höher angeordnete Sitze aufwiesen.

Beim Neuwagenkauf (Ehemänner sollten unbedingt auch ihre Gattinnen hinter dem Lenkrad Platz nehmen lassen) kann man - sofern eine wirksame Höhenverstellung fehlt - darauf bestehen, zumindest den Fahrersitz (u.a. mit soliden Zwischenscheiben) höherlegen zu lassen. Die Lenkradverstellung toleriert den Eingriff. Von Sitzkissen ist abzuraten. Erstens geht dabei die Seitenstabilität flöten und zweitens ist die in der Sitzlehne eingearbeitete Lendenstütze nicht mehr am richtigen Ort. Je nach Abnutzungsgrad der Wirbelsäule sind Rückenschmerzen und schnelle Ermüdung vorprogrammiert.

Das Allradsystem des KIA Sportage ist das altbewährteste (und nach Meinung des Verfassers das beste). Hinterradantrieb (Starrachse) mit zuschaltbarem Vorderradantrieb (Einzelradaufhängungen). Und Automatic-Freilaufnaben. Manuelle Freilaufnaben wären zwar noch optimaler gewesen, aber dazu muss der Fahrer leider aussteigen. Zwischendifferential ist nicht. Damit lässt sich jedoch leben. Einzige Voraussetzung: Gewusst wann was zuschalten. Auch in umgekehrter Reihenfolge. Noch deutlicher: Wenn beim frühmorgendlichen Start das Heck ausbricht, ist es an der Zeit, den Allradantrieb zuzuschalten. Weil jedoch infolge des fehlenden Ausgleichdifferentials der Wagen in Kurven geradeaus schiebt, ist vorsichtige Fahrweise angesagt. Moderne, aufwendige Traction/Stability-Control-Systeme überspielen das und vermitteln dem Fahrer ein höchst verhängnisvolles Sicherheitsgefühl (ABS lässt grüssen).

Beim altbewährten KIA-System warnen die Gesetze der Physik relativ früh-, beziehungsweise meist rechtzeitig. Elektronische Stabilitätsprogramme tun das nicht. Sie stabilisieren so lange, bis Fliehkraft oder Masseträgheit das Zepter übernehmen, was meist urplötzlich geschieht. So kann beispielsweise beim Sportage auch bei Wolkenbrüchen und dergleichen auf Autobahnen der Allradantrieb zugeschaltet werden. Unerwartete, tiefe Wasserlachen verlieren so wesentlich an Heimtücke, da der Wagen infolge des starren Durchtriebs viel weniger zum seitlichen Ausbrechen neigt. Allerdings sollte man vor der nächsten Ausfahrt daran denken, den 4x4 wieder in einen 4x2 "umzurüsten", um nicht Bekanntschaft mit Wiese oder Leitplanke zu machen.

Wie schon erwähnt, ist der KIA Sportage ein spritziges Wägelchen. Dank seinem soliden Chassis ist er mit rund 1600 kg dennoch kein Leichtgewicht. Die Anhängelast beträgt stolze 1,8 Tonnen! Seine Spritzigkeit ist der Motorisierung zuzuordnen. Egal, ob Benziner oder Turbodiesel, seine Motoren wollen immer hübsch auf Trab gehalten werden, sonst wird plötzliches Gasgeben mit unwilligem Kopfschütteln (na ja, so ähnlich) des Motors quittiert. Diesel und Benziner haben den gleichen Zylinderinhalt, nämlich 1998 ccm. 118 PS beim Benziner und 83 PS beim Diesel verheissen kein Erdbeben, dennoch waren wir immer wieder angenehm überrascht, wie agil beide Motoren reagieren. Das Gefühl eklatant fehlender Leistung kam nie auf. Dank der Geländeuntersetzung geht ihm auch im tiefsten Dreck nie die Puste aus (ebenfalls im Gegensatz zu seinen ähnlich aussehenden Verwandten ohne Untersetzung).

Mit dem KIA Sportage Fresh und seinem rückwärtigen Bikini-Softtop landete der Hersteller einfach einen trendigen "Gag". Einen tieferen Nutzen konnte der Verfasser (und etliche beigezogene Co-Testfahrer) nicht ergründen. Bei offenem Verdeck - das Dach über den Frontsitzen bleibt ja bestehen - zieht es einem fürchterlich ins Genick, während allfällige Fondspassagiere den ganzen Windstrudel mitten ins Gesicht geblasen bekommen. Natürlich inklusive allem, was da bei schönem Wetter kreucht und fleucht. Und - äh - fresh, beziehungsweise frisch wird es auch, wenn keine hochsommerlichen Temperaturen herrschen. Die einstigen Cabriolet-Kopfhauben Mitte des letzten Jahrhunderts wären ganz praktische Utensilien für die Fahrt im offenen Fresh. Das Herunterklappen des Verdecks geht zügig. Auch das anschliessende Schliessen. Sofern man bei Letzterem zu zweit ist. Ähnlich wie bei Schneeketten: Übung macht den Meister.

Noch was zum Bikini-Top: Der "luftige" Sportage soll ja ein Vehikel sein, welches rundum Spass macht. Das tut es auch. Massenhaft. Aber dem zu öffnenden Verdeck lassen sich auch ganz praktische Aspekte abgewinnen. Als eine Art Mini-Pickup mit offenem rückwärtigen Teil kann man damit beispielsweise sperrige Güter transportieren - und sollten es nur Schaufeln, Besen, Jutesäcke mit Brennholz oder ein Rasenmäher sein. Also Utensilien, die bei geschlossenen Aufbauten stets Aerger verursachen.

Den Fresh gibt es übrigens nur mit Benzinmotor und manueller Schaltung. Schade. Marktforscher waren wohl der Ansicht, zu einem sportlich offenen Verdeck passe nur eine ebenfalls "sportliche" Handschaltung...

Kia-1a.jpg (70539 Byte)
Trotz seines elegant- frechen Aeusseren scheint der KIA Sportage Fresh genau für derartiges Terrain entwickelt worden zu sein.

Kia-8.jpg (119091 Byte)
Kletterfähigkeit erstaunlich.

Kia-6.jpg (116505 Byte)
Böschungswinkel offroadtauglich.

Kia-13.jpg (102187 Byte)
Als Klein-Pickup ebenfalls brauchbar

Kia-10.jpg (302534 Byte)
Eine Konzession, die der Sportage mit vielen Artgenossen teilt: Schon bald einmal hebt eines der Hinterräder ab.

Kia-5.jpg (146105 Byte)
Gute Zugänglichkeit für Service-Checks - und Mechaniker.

Kia-4.jpg (104966 Byte)
Schörkelloses Interieur, aber alles dort wo es sein soll.

Kia-9.jpg (118214 Byte)
Wenn es vorwärts nimmer geht, dann eben rückwärts den Hang hinauf (kleiner "Gewuss-wie-Trick")

Technischer Steckbrief

Fahrzeugtyp KIA Sportage Fresh
Motor Vierzylinder Reihe, 16 Ventile
Hubraum: 1998 ccm
Leistung: 84 kW / 118 PS / 5500 U/min
Max. Drehmoment: 166Nm/4500 U/min
Getriebe Hinterradantrieb mit zuschaltbarem Vorderadantrieb 50:50
Automatische Freilaufnaben vorne
Vollsynchronisiertes 5-Gang-Getriebe
Geländeuntersetzung
Masse und Gewichte Länge: 4025 mm
Breite: 1764 mm
Höhe: 1695 mm
Leergewicht: 1469 kg
Gesamtgewicht: 1900 kg
Anhängelast: 1800 kg
Fahrwerk Vorne: Einzelradaufh. / Doppeldreiecklenker
Hinten: Starrachse m. Schraubenfedern
Lenkung: Kugelumlauf mit Servo
Reifen: 205/70 R 15
Tankinhalt: 53 l
Böschungswinkel: vorne 36°, hinten 33°
Kippwinkel: 45°
Wattiefe: 500 mm
Kletterfähigkeit: 38°
Wendekreis: 10,4 m
V/max: 172 km/h (Werksangabe)
Verbrauch: 10,2 lt (nach 1999/100/EG
Sonstiges: Klimaanlage serienmässig, Zentralverriegelung
Kaufpreis: ab Fr. 27'850 netto

 


Das auszugsweise Kopieren, Vervielfältigen oder Abdrucken von Artikeln und Bildern von dieser Website zu gewerblichen Zwecken ist nur mit ausdrücklicher Genehmigung
der Swissmotor-Chefredaktion gestattet.