Eines ist dem kleinen Koreaner geblieben: Noch immer
wird er gewaltig unterschätzt! Kann sein, dass es an seinem spielzeughaften, trotzdem
sehr eleganten Aussehen liegt, weil er gewissermassen zu "brav" daherkommt, oder
wasweissich; jedenfalls erkennt man in ihm kaum einen währschaften Offroader. Aber er ist
einer. Das konnten wir auch zu unserer Überraschung immer wieder feststellen. Zudem
verfügt er - im Gegensatz zu andern "Fun-Offroadern" - über ein
Reduktionsgetriebe mit spezieller Gelände-Untersetzung. In bergigen
Regionen trifft man den Sportage ziemlich oft als "Betriebsfahrzeug" örtlicher
Garagisten und Kommunalbetriebe an, was durchaus eine deutliche Sprache spricht. Hinzu
kommt natürlich sein Preis/Leistungsverhältnis von Fr. 27'850 netto (Sportage Fresh) bis
Fr. 33'650 netto (Wagon mit Automat). Sympathisch: Der handgeschaltete Turbodiesel kostet
gleich viel wie der Benziner-Automat. Dass je nach Einsatzart der Diesel frappant
sparsamer ist, erwähnten wir schon mehrmals, dies trifft natürlich auch auf den KIA zu.
Zu fahren ist er ungefähr so, wie er aussieht. Frech, spritzig, nicht
unbedingt leise, ziemlich straff gefedert - aber verdammt gutmütig. Im Prinzip ein
Frauenauto. Zumal die Übersicht auf die Eckpunkte nicht übel ist. Vorteilhaft beim
Einparken. Leider teilt er eine Unart mit vielen fernöstlichen Kollegen: die vorderen
Sitze sind zu tief angeordnet. Offenbar haben die Konstrukteure in den Ländern der
aufgehenden Sonne inzwischen kapiert, dass für den Export in den Westen grössere
Beinfreiheit gefordert ist. Der Einfachheit halber rechneten sie einfach in der
Gesamtkörpergrösse der westlichen Benutzer etliche Zentimeter hinzu (Kopffreiheit muss
ja auch sein) und legten auch die Sitze tiefer. Der Verfasser kommt zu diesem Schluss,
weil dieselben, von ihm in Fernost gefahrenen Wagen wesentlich höher angeordnete Sitze
aufwiesen.
Beim Neuwagenkauf (Ehemänner sollten unbedingt auch ihre Gattinnen hinter
dem Lenkrad Platz nehmen lassen) kann man - sofern eine wirksame Höhenverstellung fehlt -
darauf bestehen, zumindest den Fahrersitz (u.a. mit soliden Zwischenscheiben) höherlegen
zu lassen. Die Lenkradverstellung toleriert den Eingriff. Von Sitzkissen ist abzuraten.
Erstens geht dabei die Seitenstabilität flöten und zweitens ist die in der Sitzlehne
eingearbeitete Lendenstütze nicht mehr am richtigen Ort. Je nach Abnutzungsgrad der
Wirbelsäule sind Rückenschmerzen und schnelle Ermüdung vorprogrammiert.
Das Allradsystem des KIA Sportage ist das altbewährteste (und nach Meinung
des Verfassers das beste). Hinterradantrieb (Starrachse) mit zuschaltbarem
Vorderradantrieb (Einzelradaufhängungen). Und Automatic-Freilaufnaben. Manuelle
Freilaufnaben wären zwar noch optimaler gewesen, aber dazu muss der Fahrer leider
aussteigen. Zwischendifferential ist nicht. Damit lässt sich jedoch leben. Einzige
Voraussetzung: Gewusst wann was zuschalten. Auch in umgekehrter Reihenfolge. Noch
deutlicher: Wenn beim frühmorgendlichen Start das Heck ausbricht, ist es an der Zeit, den
Allradantrieb zuzuschalten. Weil jedoch infolge des fehlenden Ausgleichdifferentials der
Wagen in Kurven geradeaus schiebt, ist vorsichtige Fahrweise angesagt. Moderne, aufwendige
Traction/Stability-Control-Systeme überspielen das und vermitteln dem Fahrer ein höchst
verhängnisvolles Sicherheitsgefühl (ABS lässt grüssen).
Beim altbewährten KIA-System warnen die Gesetze der Physik relativ früh-,
beziehungsweise meist rechtzeitig. Elektronische Stabilitätsprogramme tun das nicht. Sie
stabilisieren so lange, bis Fliehkraft oder Masseträgheit das Zepter übernehmen, was
meist urplötzlich geschieht. So kann beispielsweise beim Sportage auch bei Wolkenbrüchen
und dergleichen auf Autobahnen der Allradantrieb zugeschaltet werden. Unerwartete, tiefe
Wasserlachen verlieren so wesentlich an Heimtücke, da der Wagen infolge des starren
Durchtriebs viel weniger zum seitlichen Ausbrechen neigt. Allerdings sollte man vor der
nächsten Ausfahrt daran denken, den 4x4 wieder in einen 4x2 "umzurüsten", um
nicht Bekanntschaft mit Wiese oder Leitplanke zu machen.
Wie schon erwähnt, ist der KIA Sportage ein spritziges Wägelchen. Dank
seinem soliden Chassis ist er mit rund 1600 kg dennoch kein Leichtgewicht. Die
Anhängelast beträgt stolze 1,8 Tonnen! Seine Spritzigkeit ist der Motorisierung
zuzuordnen. Egal, ob Benziner oder Turbodiesel, seine Motoren wollen immer hübsch auf
Trab gehalten werden, sonst wird plötzliches Gasgeben mit unwilligem Kopfschütteln (na
ja, so ähnlich) des Motors quittiert. Diesel und Benziner haben den gleichen
Zylinderinhalt, nämlich 1998 ccm. 118 PS beim Benziner und 83 PS beim Diesel verheissen
kein Erdbeben, dennoch waren wir immer wieder angenehm überrascht, wie agil beide Motoren
reagieren. Das Gefühl eklatant fehlender Leistung kam nie auf. Dank der
Geländeuntersetzung geht ihm auch im tiefsten Dreck nie die Puste aus (ebenfalls im
Gegensatz zu seinen ähnlich aussehenden Verwandten ohne Untersetzung).
Mit dem KIA Sportage Fresh und seinem rückwärtigen Bikini-Softtop landete
der Hersteller einfach einen trendigen "Gag". Einen tieferen Nutzen konnte der
Verfasser (und etliche beigezogene Co-Testfahrer) nicht ergründen. Bei offenem Verdeck -
das Dach über den Frontsitzen bleibt ja bestehen - zieht es einem fürchterlich ins
Genick, während allfällige Fondspassagiere den ganzen Windstrudel mitten ins Gesicht
geblasen bekommen. Natürlich inklusive allem, was da bei schönem Wetter kreucht und
fleucht. Und - äh - fresh, beziehungsweise frisch wird es auch, wenn keine
hochsommerlichen Temperaturen herrschen. Die einstigen Cabriolet-Kopfhauben Mitte des
letzten Jahrhunderts wären ganz praktische Utensilien für die Fahrt im offenen Fresh.
Das Herunterklappen des Verdecks geht zügig. Auch das anschliessende Schliessen. Sofern
man bei Letzterem zu zweit ist. Ähnlich wie bei Schneeketten: Übung macht den Meister.
Noch was zum Bikini-Top: Der "luftige" Sportage soll ja ein
Vehikel sein, welches rundum Spass macht. Das tut es auch. Massenhaft. Aber dem zu
öffnenden Verdeck lassen sich auch ganz praktische Aspekte abgewinnen. Als eine Art
Mini-Pickup mit offenem rückwärtigen Teil kann man damit beispielsweise sperrige Güter
transportieren - und sollten es nur Schaufeln, Besen, Jutesäcke mit Brennholz oder ein
Rasenmäher sein. Also Utensilien, die bei geschlossenen Aufbauten stets Aerger
verursachen.
Den Fresh gibt es übrigens nur mit Benzinmotor und manueller Schaltung.
Schade. Marktforscher waren wohl der Ansicht, zu einem sportlich offenen Verdeck passe nur
eine ebenfalls "sportliche" Handschaltung... |
Trotz seines
elegant- frechen Aeusseren scheint der KIA Sportage Fresh genau für derartiges Terrain
entwickelt worden zu sein.
Kletterfähigkeit
erstaunlich.
Böschungswinkel offroadtauglich.
Als Klein-Pickup
ebenfalls brauchbar
Eine Konzession,
die der Sportage mit vielen Artgenossen teilt: Schon bald einmal hebt eines der
Hinterräder ab.
Gute
Zugänglichkeit für Service-Checks - und Mechaniker.
Schörkelloses
Interieur, aber alles dort wo es sein soll.
Wenn es
vorwärts nimmer geht, dann eben rückwärts den Hang hinauf (kleiner
"Gewuss-wie-Trick") |